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Wie funktioniert die Welt?

Wie funktioniert die Welt?

Titel: Wie funktioniert die Welt? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Brockman , Herausgegeben von John Brockman
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Redundanzen zu beseitigen.
    Die Welt zum Zeitpunkt
t
unterscheidet sich nicht besonders stark von der Welt zum Zeitpunkt
t
- 1 . Deshalb ist es nicht notwendig, dass die Sinnessysteme kontinuierlich über den Zustand der Welt berichten. Sie brauchen nur
Veränderungen
mitzuteilen und das Gehirn in der Annahme zu lassen, dass alles, worüber nicht berichtet wird, gleich bleibt. Sensorische Anpassung ist ein allgemein bekanntes Merkmal von Sinnessystemen, und sie leistet genau das, was Barlow prophezeite. Wenn ein Neuron beispielsweise die Temperatur mitteilt, ist seine Impulsrate im Gegensatz zu einer naiven Annahme nicht proportional zur Temperatur. Sie steigt vielmehr nur dann an, wenn sich die Temperatur
verändert
. Anschließend erstirbt sie zu einer langsamen Ruhefrequenz. Das Gleiche gilt für Neuronen, die Signale über Helligkeit, Lautstärke, Druck und anderes weiterleiten. Sensorische Anpassung nutzt die Nichtzufälligkeit in der zeitlichen Abfolge der Zustände unserer Umwelt aus und erzielt so ungeheure Einsparungen.
    Was die sensorische Anpassung im zeitlichen Bereich leistet, tut das gut nachgewiesene Phänomen der lateralen Hemmung im Raum. Fällt eine Szene in der Welt auf einen gepixelten Bildschirm, beispielsweise auf die Rückwand einer Digitalkamera oder die Netzhaut unseres Auges, sehen die meisten Pixel genauso aus wie ihre unmittelbaren Nachbarn. Eine Ausnahme bilden nur jene Pixel, die an Rändern oder Grenzen liegen. Würde jede Netzhautzelle ihren Lichtwert getreulich an das Gehirn übermitteln, wäre dieses einem ständigen Bombardement mit ungeheuer redundanten Nachrichten ausgesetzt. Auch hier ist eine große Einsparung zu erreichen, wenn die meisten Impulse, die das Gehirn erreichen, von den Pixelzellen an den Grenzlinien der Szene stammen.
    Wie Barlow deutlich machte, leistet die laterale Hemmung genau das. Bei Fröschen beispielsweise sendet jede Ganglienzelle der Netzhaut Signale an das Gehirn und berichtet über die Lichtintensität an ihrer Stelle der Netzhautoberfläche. Gleichzeitig sendet sie aber auch hemmende Signale an ihre unmittelbaren Nachbarn aus. Demnach übermitteln nur jene Ganglienzellen starke Signale an das Gehirn, die an Grenzlinien liegen. Andere, die sich in einheitlichen Farbfeldern befinden (die Mehrheit), senden weniger oder überhaupt keine Impulse an das Gehirn, weil sie im Gegensatz zu den Zellen an den Grenzlinien von allen ihren Nachbarn gehemmt werden. Damit wird die räumliche Redundanz des Signals beseitigt.
    Barlows Analyse kann man auf die meisten unserer heutigen Kenntnisse über die Neurobiologie der Sinne erweitern, auch auf Hubels und Wiesels berühmte Detektorneuronen für horizontale und vertikale Linien bei Katzen (gerade Linien sind redundant, weil man sie anhand ihrer Enden rekonstruieren kann) und auf die Bewegungs- (»Fliegen-«) Detektoren in der Froschnetzhaut, die von demselben Jerry Lettvin und seinen Kollegen entdeckt wurden. Bewegung stellt eine nichtredundante Veränderung in der Umwelt des Frosches dar. Aber selbst Bewegungen sind redundant, wenn sie sich mit der gleichen Geschwindigkeit in die gleiche Richtung fortsetzen. Entsprechend entdeckten Lettvin und seine Kollegen bei ihren Fröschen ein »Seltsamkeitsneuron«, das nur dann Impulse abgibt, wenn ein bewegtes Objekt etwas Unerwartetes tut, beispielsweise indem es sich beschleunigt, verlangsamt oder die Richtung wechselt. Das Seltsamkeitsneuron ist so abgestimmt, dass es Redundanzen einer sehr hohen Ordnung ausfiltert.
    Barlow wies darauf hin, dass wir aus der Gesamtheit der sensorischen Filter eines bestimmten Tieres theoretisch die Redundanzen in dessen Umwelt ablesen können. Dies würde eine Art Beschreibung der statistischen Eigenschaften dieser Umwelt darstellen. Dabei fällt mir ein, ich wollte ja auf Darwin zurückkommen. In meinem Buch
Der entzauberte Regenbogen
habe ich den Genpool einer Spezies als »genetisches Totenbuch« bezeichnet, als codierte Beschreibung der früheren Welten, in denen die Gene der Spezies über geologische Zeiträume hinweg überlebt haben. Die natürliche Selektion ist ein Computer zur Bildung von Durchschnittswerten: Sie spricht auf Redundanzen – wiederholte Muster – in aufeinanderfolgenden Welten an (die über Millionen von Generationen aufeinanderfolgen), in denen die Spezies (als Durchschnitt aller Mitglieder der sexuell fortpflanzungsfähigen biologischen Art) überlebt hat. Können wir die Analysen, die Barlow für die Neuronen

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