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Finn und der Kristall der Zeit (German Edition)

Finn und der Kristall der Zeit (German Edition)

Titel: Finn und der Kristall der Zeit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Konrad
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    Erster Teil
     
    Es war die kälteste Nacht seit Menschengedenken. Wilhelm, der alte Nachtwächter des kleinen Städtchens Burgfeld, trug einen schafwollenen Pullover, den ihm seine Tochter gestrickt hatte, und darüber noch einen alten, warmen Mantel, der im letzten Krieg wohl einem Soldaten gehört hatte, und der extra für kalte Nächte draußen gedacht war, aber trotzdem fror er.
    Wilhelm hatte keinen Blick für die funkelnden Sterne über ihm; die klare, frische Luft tat ihm in der Lunge weh, und als er an dem Automobil des Kaufmannes Ambrose vorbei kam, dem er sonst immer einen bewundernden Blick geschenkt hatte – ein Automobil, man stelle sich das nur vor! – verzog sich sein Gesicht in missmutige Falten, und er dachte darüber nach, warum er nicht so ein Glück im Leben hatte, sondern als Armenhäusler der schrecklichsten aller Arbeiten nachgehen musste.
    Nicht, dass je etwas passiert wäre in der kleinen Stadt. Manchmal trennte er zwei sich streitende Hunde, welche die Schlafenden um ihre Ruhe brachten, und einmal hatte er den kleinen Sohn des Müllers, der auf nächtliche Wanderschaft gegangen war, zurück zu seinen Eltern gebracht – die das Verschwinden des Kleinen noch gar nicht bemerkt hatten.
    Aber meistens war es ruhig hier, friedlich, wie eben die ganze Stadt. Es lebte sich gut in Burgfeld.
    „Nur gerade nicht heute“, dachte der alte Wilhelm missmutig, „heute ist es kalt, und ich wünschte, ich könnte in meinem warmen Bett liegen, wie all die anderen Faulpelze und Langschläfer. Oder“, grübelte er missmutig weiter, „dass wenigstens etwas geschehen würde, etwas Spannendes, ein Feuer oder so, bei dem ich die Menschen retten könnte und dann ein Held wäre!“
    Und Wilhelm hob seine Petroleumlampe, wobei er sich schon fast einbildete, Flammen am Hause des Lehrers emporzüngeln zu sehen. Aber da war nichts, lediglich eine schwarze Katze duckte sich im schwachen Schein der Lampe und fauchte ihn vorwurfsvoll an.
    „Husch“, zischte der Nachtwächter, und die Katze machte einen Satz und verschwand hinter den Häusern.
    „Wenn ich doch wenigstens Nachtwächter in der großen Stadt wäre“, seufzte der alte Mann. Sicher wäre dort mehr los, so dass man bei all den Geschehnissen die klirrende Kälte vergäße.
    Hohenstadt, die große Stadt - dorthin fuhren die Bauern einmal im Monat am großen Markttag, um ihre Erzeugnisse zu verkaufen, und die Frauen machten sich hübsch, um in den Geschäften noch schönere Kleider einzukaufen. Als Kind war auch Wilhelm manchmal dorthin gefahren, um mit großen Augen die Auslagen der Geschäfte zu bestaunen, und er nahm an, dass die Kinder das heute noch genauso machten. Eine Zeitlang – vielleicht die glücklichste Zeit seines Lebens – hatte er dort sogar gelebt, in einem kleinen Häuschen am Stadtrand. Nun war schon lange nicht mehr in Hohenstadt gewesen. Er hatte nichts, was er verkaufen konnte, kein Geld, um sich neue Kleidung zu kaufen und sicher auch kein Interesse daran, wie ein kleiner Junge die Spielzeuge in den Schaufenstern zu begaffen.
    Bei diesem Gedanken musste er ein wenig schmunzeln. Etwas besser gelaunt schlurfte er zum Ende der Straße. Dort stellte er seine Petroleumlampe sorgfältig auf den Rand des Brunnens, bevor er in die Tasche seines Armeemantels griff und eine kleine, verbeulte Blechflasche heraus zog. Er öffnete sie und trank einen kräftigen Schluck direkt aus der Flasche. Sofort wurde ihm wärmer. Sorgfältig verkorkte er das Fläschchen wieder und ließ es in seine Manteltasche fallen, wobei er einen nachdenklichen Blick über den Platz warf. Auch hier fand, unter dem Schatten der alten Kirche St. Bonifaz, regelmäßig ein Markt statt, nicht so vornehm und vielfältig wie in der großen Stadt, sondern kleiner, mit allem, was man für das tägliche Leben brauchte. Jetzt lag der Platz im Dunklen, nur die Dächer der Häuser und der große Turm der Kirche wurden von den hell funkelnden Sternen beleuchtet. Wilhelm warf einen Blick auf die Uhr am Kirchturm. Es war beinahe Mitternacht.
    Wie ruhig es war! Der alte Wilhelm zog mit einer Hand seinen Mantel vor der Brust zusammen und griff mit der anderen nach seiner Petroleumlampe.
    Und dann, ganz plötzlich, geschahen mehrere Dinge gleichzeitig. Ein gewaltiger Blitz fuhr aus dem sternenklaren Himmel hernieder, gleichzeitig mit einem Geräusch, welches wie das Brechen eines Baumes klang, nur unendlich viel lauter. Eine endlos erscheinende Sekunde stand der Nachtwächter wie

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