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Wie geht's, Deutschland?: Populisten. Profiteure. Patrioten. - Eine Bilanz der Einheit (German Edition)

Wie geht's, Deutschland?: Populisten. Profiteure. Patrioten. - Eine Bilanz der Einheit (German Edition)

Titel: Wie geht's, Deutschland?: Populisten. Profiteure. Patrioten. - Eine Bilanz der Einheit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Jürgs
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damals vom Volk ganz anders gemeinten Ruf, sich fortan in der Produktion zu bewähren, und stützte sich als Immobilienhändler auf seine alten Verbindungen.
    Inzwischen gehört er zu den erfolgreichen Ruinenbaumeistern. Hilpert besitzt zusammen mit anderen in der Nähe von Potsdam das Resort am Schwielowsee, laut Eigenwerbung »ziemlich nahe am Paradies« gebaut, was nicht nur Theodor Fontane, dessen Statue im Park steht, jederzeit bestätigen würde. Hier ist die Einheit festgeschrieben, denn einer der Teilhaber von Geschäftsführer Axel Hilpert in der »Theodor Fontane Besitz- und Betriebsgesellschaft« ist Hans-Hermann Tiedje, ehemaliger Chefredakteur der damals noch ausschließlich westdeutschen »Bild«-Zeitung. So wuchs zusammen, was eigentlich zusammen nie gehörte. Investiert wurden rund 45 Millionen Euro. Es gab ein paar Millionen Förderung von der EU und einige vom brandenburgischen Wirtschaftsministerium, dessen Chef Ulrich Junghanns sich mit Bauten aller Art bekanntlich gut auskennt, sich etwa nicht scheute, noch im Juli 1989 das größte DDR-Bauwerk, die Mauer, hochzupreisen und bei der Eröffnung der Hotelanlage lobende Worte fand. Hilperts »Perle in der Havellandschaft« verschaffte mehr als 140 Menschen Arbeit in einer Gegend, in der es kaum Arbeit gibt.
    Auch Politiker aus der nahen Hauptstadt Berlin haben die Hotelanlage mitVillen im nachempfundenen Key-West-Stil als ideale Stätte ihrer Begegnungen entdeckt. Die Finanzminister der G8-Staaten zum Beispiel diskutierten hier Segen oder doch Fluch der Globalisierung. Neben dem Tao-Wellness Center des Hotels hängt die Bildergalerie der Prominenten, die Hilperts Resort hier schon die Ehre gaben: Außer Oskar Lafontaine und Friedrich Merz, Manfred Stolpe und Wolfgang Schäuble, Helmut Kohl und Dietmar Bartsch auch die im Osten besonders beliebten Sänger des Volkes, Stefanie Hertel und Stefan Mross. Im Hemingway gewidmeten Restaurant »Ernest« konkurrieren die Köche mit dem eigentlich unschlagbaren direkten Blick auf den See, die Yachten und die regungslos auf Beute wartenden Fischreiher.
    Das andere Leben Hilperts ist tief vergraben. Er hat zwischen 1974 und 1989 viele Berichte fürs MfS über das Leben der Anderen geschrieben, aber was da drinsteht, lässt sich nicht mehr überprüfen. Die Originalakte des IM »Monica« wurde im Dezember 1989 von seinem Führungsoffizier höchstpersönlich vernichtet. Monica hieß eine Frau, die am Steuer eines Opel Rekord mit Münchner Kennzeichen saß, den Hilpert mal auf der Autobahn überholte. Man verständigte sich von PKW zu PKW mit flirtigen Gesten, traf sich in der Raststätte Hermsdorfer Kreuz und trank Kaffee zusammen. »Wir stellten uns vor, quatschten ein bisschen, tauschten Adressen aus und winkten uns nach einer halben Stunde zum Abschied zu. Sie rauschte nach München, ich nach Suhl«, beschreibt Hilpert in Notizen für eine Autobiografie, die nie erschien, diese Begegnung. Angeblich war sie beim CIA, sein erster Auftrag lautete, ihre Absichten auszuforschen.
    Seit damals sei über fünfzehn Jahre bis zum Tag des Mauerfalls, seine »innere Distanz zum MfS« gewachsen, was er offenbar geschickt geheim hielt, denn seine Dienstherren merkten nichts davon, förderten und beförderten ihn. Als eine andere MfS-Abteilung ihn wegen angeblich halbseidener Geschäfte im operativen Vorgang »Korruption« ausgespäht und abgehört hatte, befahl Generalleutnant Neiber Abbruch der Aktion, weil Hilpert in seiner
Rolle als »Monica« für das Ministerium wichtiger war als in seinem Hauptberuf als Aufkäufer im VEB Antikhandel Pirna.
    Der gelernte Schlosser, von des Gedankens Blässe nie angekränkelt, gehörte maßgeblich zum Devisenbeschaffungsreich der Kommerziellen Koordinierung (KoKo) von Alexander Schalck-Golodkowski. Nicht nur als IM, auch im ganz besonderen Handel mit Kunst und Antiquitäten war Hilpert bis zum Ende der DDR eine Stütze des Systems. Durch kritische Äußerungen fiel er nie auf, obwohl er immer Zweifel gehabt haben will: »Wenn ich allerdings eine halbe Pulle intus hatte, habe ich ohne Probleme auf den Weltsozialismus angestoßen. Dann hatte ich die richtige Leck-mich-am-Arsch-Stimmung, um auf Meuterei oder Erklärungen, was wirklich wichtig sei im Leben, zu verzichten. Geradezu unerträglich wurden mir die sogenannten Informationsgespräche. Da bekam man als IM den Auftrag, ein Opfer unter Ausnutzung aller Vertraulichkeit in eine konspirative Wohnung zu locken. Hier musste ich den

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