Wie man Freunde gewinnt
«Was halten Sie davon?» Las er einen Brief, den einer seiner Assistenten geschrieben hatte, meinte er etwa: «Vielleicht wäre es besser, wenn Sie diesen Satz so und so formulieren würden.» Er gab den andern immer Gelegenheit, die Dinge von sich aus zu tun.
Nie erteilte er seinen Assistenten Befehle; er ließ sie machen und aus ihren eigenen Fehlern lernen.
Eine solche Haltung macht es dem andern Menschen leicht, einen Fehler zu verbessern. Sein Stolz bleibt dabei unverletzt und er wird in seinem Selbstgefühl bestärkt. Dadurch wird die Zusammenarbeit gefördert, statt Widerspruch geweckt.
Es kann passieren, daß uns jemand einen scharf erteilten Befehl - selbst wenn er berechtigt war - noch lange hinterher übelnimmt. Dan Santarelli, Lehrer an einer Berufsschule, berichtete, wie einmal ein Schüler die Einfahrt zu einer Schulwerkstatt verstopfte, weil er verbotenerweise seinen Wagen dort abgestellt hatte. Plötzlich kam ein Lehrerkollege in
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Dans Klassenzimmer gestürmt und wollte in äußerst arrogantem Ton wissen: «Wer von Ihnen verstopft mit seinem Wagen die Einfahrt?» Als sich der fehlbare Schüler meldete, brüllte er ihn an: «Fahren Sie Ihre Karre dort weg, und zwar gleich, sonst lasse ich sie abschleppen.»
Der Schüler war selbstverständlich im Unrecht. Der Wagen gehörte nicht dorthin. Doch von diesem Tag an machten nicht nur er, sondern alle Klassenkameraden jenem Lehrer das Leben so sauer, wie sie nur konnten.
Was er hätte tun sollen? Wenn er freundlich gefragt hätte:
«Wem gehört der Wagen, der in der Einfahrt steht?» und dann vorgeschlagen hätte, ihn besser woanders zu parken, damit man unbehindert ein- und ausfahren konnte, dann hätte ihn sein Besitzer, ohne zu murren, weggefahren und weder er noch seine Klassenkameraden hätten sich geärgert oder gerächt.
Die Form der Frage zu benützen macht einen Befehl leichter verdaulich und regt die gefragte Person sogar oft zu eigenen Einfallen an. Man nimmt einen Befehl lieber entgegen, wenn man ein entscheidendes Wort mitzureden hat, ihn sich sozusagen selbst erteilt.
Ian MacDonald, der eine kleine Firma leitete, welche auf die Herstellung von Präzisionsapparaten spezialisiert war, sah sich vor der Entscheidung, einen bedeutenden Auftrag ausschlagen zu müssen, weil er überzeugt war, daß seine Leute den gewünschten Liefertermin nicht einhalten konnten. Das Arbeitsprogramm war bereits ziemlich vollgestopft und die Frist für jenen Auftrag sehr knapp.
Doch statt seine Angestellten zu hetzen, um eine zusätzliche Leistung herauszuschinden, ließ er sie alle zusammenkommen und erklärte ihnen die Situation und welche Vorteile es für sie und die Firma hätte, wenn sie den betreffenden Auftrag fristgerecht ausführen könnten. Dann begann er zu fragen:
«Besteht eine Möglichkeit, diesen Auftrag auszuführen?››
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«Hat jemand einen Vorschlag, was wir tun könnten, um damit rechtzeitig fertig zu werden?»
«Ließe sich mit anderen Arbeitszeiten oder besserer Arbeitsaufteilung etwas erreichen?»
Die Angestellten machten eine ganze Reihe von Vorschlägen und bestanden darauf, daß er den Auftrag annehme. Sie packten die Aufgabe mit einer positiven «Dasschaffenwirschon»-Einstellung an. Der Auftrag wurde angenommen, ausgeführt und termingerecht abgeliefert.
Regel 4 Machen Sie Vorschläge, anstatt Befehle zu erteilen.
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5 Keiner möchte das Gesicht verlieren
Vor Jahren stand die General Electric vor der heiklen Aufgabe, Charles Steinmetz seines Postens als Abteilungsleiter zu entheben. Steinmetz war auf dem Gebiet der Elektrizität ein Genie ersten Ranges - als Chef der Kalkulation dagegen ein völliger Versager. Dennoch wollte man ihn nicht vor den Kopf stoßen, denn er war unentbehrlich - aber leider auch sehr empfindlich. Also gab ihm die Gesellschaft einen neuen Titel.
Sie ernannte ihn zum beratenden Ingenieur - das war weiter nichts als ein neuer Name für eine Tätigkeit, die er ohnehin bereits ausübte und übertrug die Leitung der
Kalkulationsabteilung einem anderen Mann.
Steinmetz war zufrieden, desgleichen die Gesellschaft. Sie hatte ihren temperamentvollen Star mit sanfter Hand und ohne Aufregung von der Bühne geholt, weil sie dafür gesorgt hatte, daß er das Gesicht wahren konnte!
Das Gesicht wahren! Wie wichtig ist das doch! Aber wie viele von uns vergessen es immer wieder! Wir trampeln rücksichtslos auf den Gefühlen der andern herum, wenn wir unsern Kopf durchsetzen, den Finger auf die
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