Wie man sich beliebt macht
wirklich nicht mein Ding, was bestimmt auch daran liegt, dass ich ein menschlicher Mücken-Magnet bin.
Und dann musste ich zu allem Überfluss noch feststellen, dass ich im selben Zelt schlafen sollte wie Lauren Moffat. Als ich der psychologischen Betreuerin des Camps sehr ruhig und erwachsen zu erklären versuchte, dass ich aufgrund der starken Hassgefühle, die Lauren seit dem Gatorade-Zwischenfall für mich hegt, auf gar keinen Fall mit ihr in einem Zelt schlafen konnte, sagte sie bloß munter: »Mal sehen, ob sich da was machen lässt.« Und dann entschuldigte meine Mutter sich allen Ernstes dafür, dass ich Schwierigkeiten machte, und sagte, es würde mir schwerfallen, Freundinnen zu finden.
»Das ändern wir«, sagte die Betreuerin zuversichtlich und zwang mich, in Laurens Zelt zu schlafen.
Nachdem ich zwei Tage lang keinen Bissen gegessen hatte - mir war viel zu schlecht - und auch nicht auf dem Klo gewesen war (jedes Mal wenn ich es versuchte, tauchten Lauren oder eine ihrer Spießgesellinnen vor dem Klohäuschen auf und zischten: »Hey, zieh da drin bloß keine Steph ab!«), wurde ich in ein Zelt mit anderen Außenseiterinnen verlegt. Von da ab wurde es dann doch noch ganz lustig.
Aber wenn man all die oben genannten Vorfälle zusammenzählt - ganz zu schweigen davon dass meine Mutter, ohne auch nur die geringste Ahnung von Buchhaltung zu haben, ein eigenes Geschäft eröffnet hat, und mein Vater sich einbildet, es gäbe einen Markt für seine unveröffentlichte Krimireihe über einen Basketballtrainer an einer Highschool in Indiana, der in seiner Freizeit Verbrechen aufklärt - muss man einfach zu dem Schluss kommen, dass meine Eltern völlig weltfremd sind.
Aus diesem Grund vertraue ich ihnen auch keine persönlichen Details aus meinem Leben an, sondern nur das, was sie unbedingt wissen müssen.
»Nein, wir gehen auf keine Party, Mrs Landry«, beantwortete Jason die Frage meiner Mutter bezüglich unserer Abendplanung. Ich habe ihm eine kleine Schulung im Umgang mit meinen Eltern gegeben, weil seine Großmutter bald den Vater meiner Mutter heiratet, wodurch er dann ja quasi zur Familie gehört. »Wir fahren wahrscheinlich bloß ein bisschen die Main Street auf und ab.«
Er sagte das, als wäre es keine große Sache, obwohl es eine Riesensache ist. Jason ist nämlich der Erste von uns mit eigenem Auto - er hat die ganze Ferien über gespart, um den 74’er BMW 2002 der Haushälterin seiner Großmutter zu kaufen. Und heute Abend wollen wir zum ersten Mal alle darin herumfahren.
Es wird der erste Samstagabend unserer gemeinsamen Lebensgeschichte sein, an dem Jason, Becca und ich weder auf dem Hügel sitzen und den Sternenhimmel betrachten, noch auf der Mauer vor dem Penguin-Eissalon hocken werden, wo die Jugendlichen von Bloomville - d.h. die
ohne Auto - jeden Samstagabend sitzen und zuschauen, wie die Bonzenkinder (diejenigen, die zu ihrem sechzehnten Geburtstag ein Auto bekommen haben und kein iBook wie die anderen) die Main Street auf- und abfahren.
Die Main Street, wie die quer durch Bloomville führende Hauptstraße originellerweise heißt, beginnt am Bloomville Creek Park, wo die fast fertig gebaute Sternwarte meines Großvaters steht. Dann führt sie in gerader Strecke an den diversen Filialen der Modeketten vorbei, die es geschafft haben, sämtliche privat geführten Klamottenläden der Stadt in den Bankrott zu treiben (daher Moms Sorge, dass der Super-Sav-Mart mit seiner günstigen Buchabteilung unseren Laden in den Ruin treiben wird) und endet am Bezirksgericht. Hinter dem wuchtigen Sandsteinbau mit der weißen Kuppel, auf deren Spitze ein Wetterhahn sitzt (der allerdings gar kein Hahn ist, sondern ein Fisch, was etwas rätselhaft ist, weil wir ja keine Meeresküste haben), dreht der Autokorso wieder um und fährt zum Bloomville Creek Park zurück, um die nächste Runde zu drehen.
»Ach so.« Mom sah enttäuscht aus. Verständlich. Welche Mutter möchte schon hören, dass ihre Tochter den letzten Samstag ihrer Sommerferien damit verbringen wird, die Hauptstraße auf- und abzufahren? Sie weiß ja nicht, dass das tausend Mal besser ist, als auf der Mauer zu sitzen und anderen Leuten dabei zuzuschauen, wie sie die Hauptstraße auf- und abfahren.
Wobei Moms Vorstellung von einem lustigen Abend darin besteht, die Kinder ins Bett zu bringen und sich dann mit einer großen Schüssel Vanilla Toffee Crunch
von Ben & Jerry’s vor den Fernseher zu setzen, um »Law and Order« zu schauen. Insofern
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