Wikinger der Liebe
beklagen?«
»Nur einen. Alwin, der Gehilfe des Gerbers, musste während des Unwetters seine Notdurft verrichten. Aus unerfindlichen Gründen genügte ihm ein Nachttopf nicht, und er lief ins Freie. Da schleuderte ihn ein Windstoß gegen die Tür des Bäckers Wilhelm, der ihm Obdach gewährte. Außer einer Beule am Kopf und ein paar Schürfwunden hat der Bursche nichts abgekriegt.«
»Wahrscheinlich werden ihm die Leute mindestens ein halbes Dutzend Nachttöpfe schenken, um ihn an weiteren ähnlichen Abenteuern zu hindern«, meinte Hawk belustigt.
»Ja, Mylord, das glaube ich auch. Jedenfalls sind wir glimpflich davongekommen.«
»Allerdings«, stimmte Hawk zu.
Von seinem Verwalter begleitet, ritt er aus der Festung, um die Felder zu inspizieren. Im aufgewühlten Erdreich hätte keine einzige Ähre überlebt. Er stieg ab, übergab Edvard die Zügel seines Grauschimmels und kniete nieder. Nach den heftigen Regengüssen war der Boden immer noch feucht. Hawk berührte den Schlamm und schnupperte an seinem Finger. »In ein oder zwei Tagen werden die Äcker trocknen«, erklärte er und schwang sich wieder in den Sattel. »Dann können wir das Getreide hier draußen trocknen lassen. Bis dahin sollen unsere Männer die oberste Erdschicht abtragen und ins Meer werfen.«
»Sehr wohl, Mylord.« Edvard runzelte die Stirn. »Aber darf ich fragen, warum?«
»Die Erde riecht nach Salz. Also war der Regen nicht rein, sondern mit Gischt aus dem Meer vermischt. Wenn die oberen Schichten nicht entfernt werden, verdirbt die nächste Ernte.«
»Seltsam, Mylord, Ihr redet wie ein Bauer - verzeiht mir die kühne Bemerkung.«
Hawk lachte. Und plötzlich entsann er sich, dass Krysta behauptet hatte, der Klang seines eigenen Gelächters würde ihn verblüffen. Warum dachte er bei jeder Gelegenheit an sie? »Soll ich mich deshalb beleidigt fühlen, Edvard?«
»O nein, Mylord, ich staune nur, weil ein Krieger so viel vom Ackerbau versteht.«
»Für dieses Land habe ich gekämpft. Und das wäre sinnlos gewesen, hätte ich nach dem Sieg nicht gewusst, wie ich meine Felder bestellen muss.«
Nachdenklich nickte der junge Verwalter, und sie ritten zur Festung zurück.
Kurz nachdem Hawk aus ihrem Bett geflohen war, erwachte Krysta, öffnete die Augen und sah die Sonne scheinen. Hawk war verschwunden. Warum hatte er sie verlassen, ohne ein Wort, ohne Abschiedsgeste? Als wäre er niemals hier gewesen...
Oder hatte sie nur geträumt, er würde unter ihren Pelzdecken liegen? Hatte ihr übermüdetes Gehirn, von vager Sehnsucht erfüllt, seine Nähe heraufbeschworen? Diesen Gedanken verdrängte sie sofort wieder. Sicher nicht. Er hatte ihr Bett geteilt, was das immer noch warme Laken an ihrer Seite bewies, ganz zu schweigen vom Abdruck seines Kopfes im Kissen.
Dieses Kissen musterte sie mehrmals, während sie sich anzog und ihre widerspenstigen Locken zu bändigen suchte. Im Hintergrund ihres Bewusstseins regte sich eine Erinnerung an glatte Haut, an sanfte und zugleich starke Arme. Glühend heiß stieg ihr das Blut ins Gesicht, beklommen kaute sie an ihrer Unterlippe. Wie sollte sie ihm gegenübertreten?
Offensichtlich hatte er sie nicht begehrt. Obwohl sie so kühn gewesen war, nackt unter die Decken zu schlüpfen. Gewiss, er begegnete ihr stets sehr freundlich. Aber seine Güte interessierte sie nicht. Wenigstens nicht nur. Nun fühlte sie sich zutiefst gedemütigt. Ihr erster Versuch, einen Mann zu verführen, war kläglich gescheitert. Was sollte sie jetzt tun?
Natürlich würde sie sich so verhalten, als wäre nichts geschehen. Etwas anderes ließ ihr Stolz nicht zu. Aber sie fragte sich in wachsender Sorge, ob Daria Recht hatte. Trauerte Hawk tatsächlich jener echten, vornehmen Lady nach? Liebte er sie so sehr, dass er nackt neben einer anderen liegen und sie besänftigend umarmen konnte, gefeit gegen die Lockung der Leidenschaft?
Diese verdammte Frau! Was mochte sie besitzen, das ihr fehlte? Vermutlich klang die Stimme der Lady wie Vogelgezwitscher oder ähnlich geistlos. Ihre Hände waren lilienweiß, und sollte jemals ein Blutstropfen aus der zarten Haut quellen, würde die Wunde vom Stich einer Nähnadel stammen, dem Werkzeug jener Kunst, die Krysta nicht beherrschte. Selbstverständlich hatte die feine Dame keine Sommersprossen, weil sie niemals unter der Sonne umhertollte. Sie sprach stets ganz leise, und sie würde ihren Bräutigam nicht herausfordern oder mit Widerworten ärgern. Sie würde auch nicht wie eine
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