Wikinger meiner Traeume - Roman
etwas früher – aber nur, weil sie sich das ganz fest vorgenommen hatte. Wenn sie ihren verantwortungslosen Körper sich selbst überlassen hätte, wäre er in einem langen Tiefschlaf versunken. Entschlossen ignorierte sie seinen Protest und stand auf, wusch sich, kleidete sich an und verließ das Haus. Wohin sie auch schaute – überall gingen die Leute eifrig ihrer Arbeit nach. Sie wollte Magda aufsuchen. Aber da entdeckte sie mehrere Männer, die vor der Haupthalle standen und einen Kreis bildeten.
Von fröhlichen Stimmen angelockt, trat sie vorsichtig näher. Zu viele Jahre lang war sie dem starken Geschlecht wohlweislich ausgewichen, um ihm unbefangen zu begegnen. Doch diese Krieger waren so groß, dass Rycca nicht über sie hinwegspähen konnte.
Langsam schlich sie sich heran und reckte den Hals. Was immer sie beobachteten, schien ihnen zu gefallen, denn sie jubelten ermutigend und bewegten sich aufgeregt. Als sich eine
Lücke zwischen zwei Rittern öffnete, schaute Rycca hindurch und hielt den Atem an.
Dragon, ihr Ehemann... Mit nacktem Oberkörper, die bronzebraune Haut über kraftvollen Muskeln gespannt, schwang er ein mächtiges Schwert und bekämpfte jeden, der ihn anzugreifen wagte. Einer nach dem anderen sprang vor, wechselte ein paar Schwerthiebe mit dem Jarl, die in Ryccas angstvollen Augen mörderisch wirkten, und gab sich – widerwillig, aber mit gutmütigem Grinsen – geschlagen. Lebhaft kritisierten die Zuschauer die einzelnen Darbietungen, riefen den Herausforderern Ratschläge zu und erörterten die Qualität der Waffen. Immer mehr Krieger wollten sich mit dem Festungsherrn messen. Ohne Zögern kämpfte er weiter, unermüdlich, zeigte nicht das geringste Anzeichen von Schwäche und schien sich sogar zu amüsieren.
Niemals würde sie die Männer verstehen – und diese hier schon gar nicht. Aus Gewalttaten machten sie ein Spiel, als würde bei Fehltritten oder falschen Bewegungen keine Lebensgefahr drohen. Ein tödliches Spiel – mit erstaunlichem Geschick betrieben... Schließlich stand nur mehr Dragon im Kreis, kein weiterer Mann fand sich bereit, mit ihm zu fechten.
Das Schwert hoch erhoben, trotz der zahlreichen Kämpfe in kerzengerader Haltung, ließ er seinen fragenden Blick über die Gesichter wandern.
Als niemand vortrat, lachte er und senkte seine Waffe. »Diese Mauren schmieden verdammt gute Klingen.«
»In der Tat«, bestätigte Magnus und nickte ihm bewundernd zu. »Kein Wunder, dass du so lange und geduldig darauf gewartet hast.«
»Um das Geheimnis ihrer Kunst zu ergründen, würde ich noch länger warten. Aber das hüten sie sorgsam.« Dragon hielt die Waffe hoch und begutachtete die Schneide. »Irgendwie muss es mit dem Falzen des Metalls zusammenhängen. Zumindest habe ich das gehört.«
»Alle Geheimnisse lassen sich lüften.« Auch Magnus musterte die Klinge – begehrlich, wie Rycca fand. »Dafür hast du ein Vermögen bezahlt. Mit dieser Summe hättest du genauso gut den Schmied bestechen können.«
Lachend schlug Dragon auf die Schulter seines Stellvertreters. »Immer wählst du den direkten Weg, was, Magnus? Ohne die furchtbare Rache der wütenden Mauren zu berücksichtigen! Zweifellos würden sie unseren Drachenschiffen ihre Häfen versperren und jeden Wikinger enthaupten, der sich in ihre Nähe wagt.«
»Dann würden wir ihnen den Krieg erklären, Dragon. Sind wir nicht mächtig genug?«
»Da bin ich mir nicht sicher. Sie sind in der Überzahl. Weil wir ihre Gesetze und ihre Lebensart respektieren, kommen wir gut miteinander aus. Und das genügt mir.«
Magnus schwieg. Aber Rycca las kühlen Spott in seinen Augen, der ihrem Gemahl offensichtlich entging – denn in diesem Moment bemerkte er ihre Anwesenheit. Sein sanftes Lächeln bildete einen seltsamen Gegensatz zu den kämpferischen Aktivitäten, die sie soeben beobachtet hatte.
»Komm her, Rycca, schau dir dieses Schwert an, von den Mauren in Spanien erzeugt. Was die Verarbeitung von Stahl betrifft, haben sie überragende Talente.«
Die Männer traten beiseite und betrachteten sie mit verhaltener Neugier. Sorgsam vermieden sie es, die Gemahlin ihres Herrn zufällig zu berühren. Sie verdrängte ihr Unbehagen, erwiderte Dragons Lächeln und ging zu ihm. »In der Tat, diese Klinge sieht eindrucksvoll aus. Und du weißt sie zu schwingen.«
»Mit einer solchen Waffe fällt’s mir nicht schwer, denn sie ist leichter als die meisten anderen und lässt sich mühelos balancieren.«
Ohne Vorwarnung
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