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Wikinger meiner Traeume - Roman

Wikinger meiner Traeume - Roman

Titel: Wikinger meiner Traeume - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Josie Litton Eva Malsch
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Haare hatte sie unter einer Filzkappe versteckt und sogar dunkle Erde in ihr Gesicht geschmiert, um ihre zarte Haut zu verbergen. Aber sie misstraute ihrer Tarnung, die einer gründlichen Prüfung gewiss nicht standhalten würde.
    Das Schweigen des Jungen und seine offenkundige Fügsamkeit verblüfften Dragon. In diesem Alter- er schätzte ihn auf dreizehn – war er ein wilder, ungestümer Bursche gewesen, jederzeit bereit, allen Angreifern zu trotzen, selbst wenn sie ihn niederschlagen würden. Kein Wunder, denn er entstammte einer gefährlichen, von grausamen Kämpfen und Gewalt regierten Welt. Wo hatte dieser Junge gelernt, dass man eine Übermacht nicht unnötig herausfordern durfte? Immerhin konnte der kleine Kerl kraftvoll zubeißen. Aber
jetzt wirkte er völlig verwirrt und starrte ihn einfach nur an.
    »Also, ich frage dich noch einmal«, fuhr Dragon auf Angelsächsisch fort, weil er annahm, der Junge würde diese Sprache verstehen.
    Dank seiner Muttersprache Norwegisch konnte sich Dragon mit Dänen und Schweden verständigen. Auf seinen Reisen hatte er sich auch andere Sprachkenntnisse angeeignet. Mittlerweile bereitete es ihm keinerlei Schwierigkeiten, mit Franken, Germanen oder sogar Mauren zu reden. Sprachen zu erlernen fiel ihm leicht – vielleicht, weil er die Melodie der Wörter liebte.
    »Warum hast du dich im Gebüsch versteckt und mir nachspioniert?« Nun musterte er den Jungen etwas genauer. Die Kleidung aus fein gesponnener, edler Wolle war ihm zu groß. Darüber wunderte sich Dragon nicht, denn Kinderkleider wurden oft etwas größer angefertigt, damit man hineinwachsen konnte. Jedenfalls war das kein Bauernjunge, eher ein kleiner Lord, in die Pflege eines Herrschaftshauses gegeben. Warum trieb er sich im Wald herum – zu Fuß, ohne Begleitung?
    An diesem sonnigen Frühlingsmorgen herrschte Frieden in Essex, ein Glücksfall, noch zu neuen Datums, um als selbstverständlich zu gelten. Nach jahrzehntelangen Kriegen verdankte die Bevölkerung dieses Gebiets die ersehnte Waffenruhe der Weisheit des großen Königs Alfred und dem eisernen Willen Lord Hawks of Essex. Lady Cymbra, Hawks Schwester, war mit Dragons Bruder verheiratet, dem norwegischen Wolf. Durch echte Freundschaft gestärkt, hatten sich diese Familienbande noch gefestigt. Daran wurde Dragon jedes Mal erinnert, wenn er an den Grund seines Aufenthalts in Essex dachte.
    Noch durfte man dem Frieden nicht trauen, und sogar ein blutjunger Bursche musste sein Verhalten erklären. »Warum
bist du hier?«, fragte Dragon. Ungeduldig schüttelte er den Kleinen, der beharrlich schwieg.
    Ryccas Zähne klapperten, und sie verfluchte ihre Dummheit, die sie in diese schreckliche Lage gebracht hatte. Wäre sie in ihrem Versteck geblieben, statt zu fliehen, hätte der Mann sie wahrscheinlich gar nicht bemerkt. Zu spät für solche Gedanken, zu spät für alles andere – außer einem weiteren verzweifelten Versuch, sich loszureißen. Sicher war es nicht nur unangenehm, sondern auch vorteilhaft gewesen, mit zwei rücksichtslosen älteren Brüdern aufzuwachsen – und mit ihrem geliebten Zwilling, der ihr beigebracht hatte, sich zu wehren.
    »Zögere nicht«, hatte Thurlow seine Schwester ermahnt, ihr feuerrotes Gesicht nicht beachtet und den Unterricht in der Kunst wirksamer Selbstverteidigung gnadenlos fortgesetzt. »Stoß blitzschnell zu, dann lauf davon. Anfangs tut das deinem Gegner höllisch weh. Aber der Schmerz lässt bald nach.«
    Rycca fand keine Gelegenheit, diese nur widerstrebend erlernten Fähigkeiten zu nutzen. Denn Thurlow teilte den älteren Brüdern – die ihm das Leben genauso schwer machten wie ihr – unverzüglich mit, sie besitze gewisse Kenntnisse. Deren Anwendung würde ihnen zweifellos missfallen. Klaglos ertrug er die Prügelstrafe, mit der sie sich rächten, und schmiedete Pläne, um in ein besseres Leben zu flüchten.
    »Sobald ich mich in der Normandie häuslich niedergelassen habe, hole ich dich zu mir«, versprach er seiner Schwester. »Dort haben wir Verwandte mütterlicherseits, und wie ich höre, gibt es unbegrenzte Möglichkeiten. Allzu lange wird es nicht dauern.«
    Doch es dauerte zu lange. Viel schneller, als sie beide erwarten konnten, stürmten die Ereignisse auf Rycca ein, und ihre Hoffnungen drohten zu schwinden. Kaltes Grauen war in ihr aufgestiegen. Hätte sie nicht das Weite gesucht, wäre sie
dem unerträglichen Schicksal ausgeliefert gewesen, das der Vater und die älteren Brüder ihr zugedacht

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