Wild wie die Praerie
Aufgabe voll und ganz gewachsen war? Sie durfte nicht zulassen, dass ihr erster Auftrag einem anderen übertragen wurde - sie würde dann niemals das Vertrauen der Leute hier gewinnen.
“Werdet ihr beide euch die ganze Zeit anstarren oder diesem armen Pferd helfen?” Der alte Mann kam auf die Füße, und Holly sah, dass er sehr groß war, größer als Marc, und so dünn wie eine Bohnenstange. Ein kräftiger Windstoß würde ihn vermutlich umpusten.
“Ich bin hier, um der Stute zu helfen. Wann haben die Wehen angefangen?” Holly gab sich ganz geschäftsmäßig. Sie konnte Marc McKendrick nicht hindern zu tun, was er für richtig hielt.
Sie musste ihre volle Konzentration jetzt auf das Pferd richten, Holly hatte sofort erkannt, dass die Stute ziemlich alt war. Hinzu kam, dass sie sich kurz vor den Wehen verletzt hatte. Ihre Kräfte waren angeschlagen, und sie musste ihr Fohlen bekommen, bevor es für sie zuviel wurde.
“Sie sind nicht kräftig genug wenn schwere Arbeit anfällt”, meinte Marc.
Holly warf ihm über die Schulter einen Blick zu.
“Sie haben die nötige Muskelkraft, und ich habe das Wissen, um entscheiden zu können, was getan werden muss. Sie können mir helfen, wenn ich es nicht allein schaffe.”
Marc nickte. Auch er kannte sich mit Tieren aus. Vielleicht gelang es ihnen mit vereinten Kräften, Sunlight zu retten. Wenn nicht, dann lag es gewiss nicht daran, dass er der neuen Tierärztin nicht jede erdenkliche Chance gegeben hatte. Er hoffte nur, dass er nicht eine seiner Lieblingsstuten opferte, nur damit diese Tierärztin ihren Standpunkt behaupten konnte. Er wünschte sehnlichst, Doc Watson wäre noch in der Stadt gewesen.
Stunden später blickte Holly erschöpft lächelnd auf das spindelbeinige Fohlen, das wacklig neben seiner Mutter stand.
Holly saß auf dem Boden, lehnte mit dem Rücken an der Wand der Box, war fast zu hungrig und zu müde, um sich zu bewegen.
Gleich würde sie gehen, denn hier wurde sie nicht mehr gebraucht. Nur einen Augenblick wollte sie sich noch ausruhen und das neue Fohlen und seine Mutter betrachten.
Es hatte lange gedauert. Zuerst hatte sie das Bein der Stute versorgt und dann zusammen mit Marc die Fortschritte der Geburt überwacht. Als das Fohlen dann Hilfe brauchte, hatte Holly Marc die Anweisungen gegeben, wo er seine Hände hinlegen sollte, und sie hatten gemeinsam dem Fohlen aus dem Mutterleib geholfen.
Während der langen Wartezeit hatte Marc mit den anderen Cowboys gescherzt und amüsante Geschichten erzählt.
Wahrscheinlich, um sie etwas von der Schwierigkeit der Geburt abzulenken, vermutete Holly. Sie war überzeugt, dass die meisten der abenteuerlichen Erzählungen erfunden waren, aber sie bewirkten trotzdem, dass sie sich weniger angespannt fühlte.
Das war wirklich sehr nett von ihm gewesen, und Holly fragte sich, ob sie Marc vielleicht falsch eingeschätzt hatte. War er mehr als ein unverschämt frecher Cowboy?
Sie lächelte wieder und blickte zu den Männern hin. Sie wirkten nicht so müde, wie sie sich fühlte, obgleich bald der Morgen heraufdämmern würde. Die Männer schlugen sich gegenseitig auf den Rücken und gratulierten sich zu dem neuen Fohlen, als wäre es ihr Werk gewesen.
Und wo ist nun das Lob für die Mama? dachte Holly. Die Stute beschnupperte ihren neuen Nachwuchs. Ein wenig von Hollys Erschöpfung schwand, während sie den beiden zuschaute.
Marc fing ihren Blick auf und hockte sich neben sie. “Die Stute hat auch ihren Verdienst daran, nicht wahr?” Er hatte seinen Hut auf den Hinterkopf geschoben, und Marcs Gesicht war ihrem so nahe, dass sie die von seinen Augen ausfächernden Fältchen sehen konnte, die von vielen Stunden in der heißen Sonne Kaliforniens zeugten. Und seine tiefblauen Augen.
Holly nickte und blickte fort. Es machte sie verlegen, dass er ihre Gedanken zu erraten schien. “Sie hat den größten Teil der Arbeit geleistet”, sagte sie und fragte sich, wie sie die Kraft aufbringen sollte, aufzustehen - ganz zu schweigen davon, nach Hause zu fahren. Sie war sogar zu müde, um auf ihre Armbanduhr zu schauen. Wie spät war es?
“Darling, ich nehme jeden misstrauischen Gedanken zurück, den ich hinsichtlich Ihrer Fähigkeiten gehabt habe. Sie haben wirklich gute Arbeit geleistet.” Marc lächelte. Sein Atem fächelte ihre Wange.
Eine Sekunde lang fragte Holly sich, was wohl geschehen würde, wenn sie sich ein wenig vorbeugen und mit ihren Lippen Marcs streifen würde. Bei diesem Gedanken wurden
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