Wildnis: Thriller - Band 2 der Trilogie
Anna ... Unablässig wanderten seine Gedanken in diese düstere Richtung.
Ein Agent brachte kugelsichere Westen und half ihnen, sie anzulegen. Draußen näherten sich die Lichter einer kleinen Wagenkolonne. Die Agenten begleiteten sie in die stechend kalte Nacht zum mittleren der drei Pick-ups.
Ralph begrüßte sie vom Beifahrersitz: „Wenn ihr euch gelangweilt habt, werdet ihr jetzt entschädigt. Ladys and Gentlemen, wir fahren in die Rotlichtszene von Fairbanks und heute brodelt der Club. Ein Special Event, den der Mörder für uns organisiert hat.“
Ralphs Überschwang stimmte Jan misstrauisch. „Was bedeutet das?“
„ Er hat mit Freigetränken dafür gesorgt, dass der Club randvoll ist.“
„ Wird die Einsatztruppe damit fertig?“
„ In dreißig Sekunden sind wir aus dem Club draußen, falls es drauf ankommt.“
„ Wir vertrauen dir“, sagte Anna, und Jan hatte den Verdacht, dass sie ihn zum Schweigen bringen wollte.
Die Innenstadt sah aus wie eine Gewerbesiedlung. Rechtwinklige Kreuzungen, dazwischen langgezogene Gebäude mit viel Beton und wenig Glas, drei oder vier Stockwerke höchstens: isolierte Inseln inmitten notdürftig geräumter Parkplätze.
Jan dachte an den Strip-Club. Lockte Männer daran wirklich nur der Genuss, nackte Haut zu sehen? Bei Malereien badender Nymphen hatte er oft das Gefühl: Die Betrachter reizte, dass sie nicht in das Gemälde steigen konnten. Strip-Clubs funktionierten wohl nach dem gleichen Prinzip, gesteigert und vulgärer: Voyeurismus ohne Vollzug, Gucken ohne Anfassen. Das musste gewaltsame Fantasien wecken. Denn die Männer hatten für die Frauen gezahlt, sie entmenschlicht, sie zu ihrem gefühlten Eigentum gemacht, und was auf der Straße als Belästigung oder Vergewaltigung galt, mochte drinnen als willkürlich verweigertes Recht empfunden werden. Nur die Rausschmeißer hielten die Männer zurück. Aber wer würde sich an diesem Abend durchsetzen, an dem der Mörder seine Finger im Spiel hatte?
Zum Fluss hin wurde die Bebauung etwas dichter und urbaner. Sie fuhren über eine Brücke, hielten vor einer von weit über hundert Autos umstellten Baracke und stiegen aus. Tom blieb bei den Wagen zurück.
Als sie die Tür öffneten, schlug ihnen gedämpfter Lärm entgegen, ein Bass wummerte. Zwei bullige, kurzgeschorene Türsteher blockierten den Flur. Auf der linken Seite musste die Kasse sein. Aus einem Fensterchen fiel von dort Licht auf die rechte Wand, die mit einem Vorhang aus rosa Glasperlen verhängt war. Auf dem Boden lagen Plastikmatten, damit die Besucher wenigstens einen Teil des Schnees abtreten konnten.
Der kleinere Türsteher spannte die von Muskeln strotzenden Arme auf. Tätowierte Fabelwesen ringelten sich um ein Schwert auf seinem Hals. „Zutritt nur für Männer“, bellte er.
Ralph schob sich am vordersten Agenten vorbei. „Wir sind zu neunt, da werden wir doch eine hübsche junge Dame mitnehmen können.“
„ Nichts gibt‘s!“
„ Ich bin Tänzerin“, rief Anna von hinten.
Der Türsteher versuchte, einen Blick auf Anna zu erhaschen. „Ist die wirklich eine Stripperin?“
„ Die Beste“, bestätigte Ralph.
„ Und was wollt ihr dann mit ihr hier? Warum macht ihr nicht eine kleine Privatparty?“
„ He, Sandy, Mann“, mischte sich der Größere lispelnd ein, „mach mal locker! Wenn die Herren ihre eigene Tusse anschleppen, ist doch geil für den Club.“
Sandy war überfordert. „Muss die dann aber Eintritt zahlen?“
Das Fensterchen wurde aufgestoßen und ein Mann mit pechschwarzem Haar und buschigen Augenbrauen steckte seinen Kopf heraus. „Wer will hier nicht zahlen?“, keifte er. Fast hätte Jan gelacht. Der Typ war mindestens 70.
„ Natürlich zahlen wir“, beschwichtigte Ralph. „Hauptsache, sie darf mit.“
„ Komm mal her, Kleine!“ Der Alte winkte Anna zu sich. „Zeig mal, was du hast.“
Anna öffnete Mantel und Jacke. Jan wusste, dass sie ein tief ausgeschnittenes Kleid aus roter Seide trug.
Der Alte fuhr sich mit der Handfläche über den Mund und wischte dabei mit dem Daumen einen Popel aus der Nase. „Hört zu, heute ist die Hölle los. Irgendein Spinner hat rumerzählt, dass hier Freigetränke für 5000 Dollar rumstehen und die heißeste Pussy der USA auf Gasttournee ihre Beine spreizt. Das Geld habe ich erhalten, die Leute saufen sich seit sechs Uhr die Birne raus, um sieben mussten wir sogar für eine halbe Stunde wegen Überfüllung schließen. Die Polizei war auch schon da, weil die Deppen
Weitere Kostenlose Bücher