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Wilhelm II

Wilhelm II

Titel: Wilhelm II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clark Christopher
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mit Unterbrechungen das ganze Jahr hindurch immer wieder auf. Wilhelm erneuerte sein Angebot an Nikolaus, der in seiner Verzweiflung nun geneigt war, die Vorschläge seines Vetters ernsthafter zu prüfen. Im Sommer 1905 lief die königliche Jacht Hohenzollern das kleine Fischerdorf Björkö im Finnischen Meerbusen an und begegnete dort der Polarstern des Zaren. Wie Roderick McLean gezeigt hat, wurde der Zweck dieser Reise geheim gehalten, selbst vor der Entourage des Kaisers. Allerdings erinnerte sich einer seiner Gefolgsleute, dass Wilhelm unablässig von Bündnissen und politischen Kombinationen gesprochen habe, insbesondere von einer Allianz zwischen Deutschland, Frankreich und Russland. 57 Die beiden Schiffe wurden am 23. Juli längsseits miteinander vertäut, und der Zar kam zum Abendessen an Bord. Es folgten vertrauliche Gespräche, in deren Verlauf Wilhelm – mit einigem Erfolg – auf die Befürchtungen des Zaren wegen der britischen Pläne gegen Russland und wegen der Unzuverlässigkeit der Franzosen anspielte, die sich nun auf Gedeih und Verderb
mit den Briten verbündet hatten. Am nächsten Morgen wurde von beiden Monarchen ein Vertrag unterzeichnet. Darin hieß es, dass »in dem Fall, dass eines der beiden Reiche von einer europäischen Macht angegriffen würde, sein Verbündeter ihm in Europa [im Original: en Europe ] mit allen seinen Kräften auf Land und zur See zu Hilfe eilen würde«. Laut der abschließenden Klausel sollten die Russen sich darum bemühen, Frankreich als Mitunterzeichner zu gewinnen. 58 Der Zar befand sich während der Verhandlungen offenbar in einem labilen, emotionalen Zustand; Wilhelm erinnerte sich gegenüber Eulenburg, dass Nikolaus nach der Unterzeichnung »mir gleich in die Arme [fiel] und weinte, dass ihm die Tränen nur so hinunterliefen. ›Du bist wirklich mein einziger treuer Freund‹, sagte er.« 59
    Wilhelm war über das neue Abkommen hocherfreut. Die Rolle, die er selbst bei dem Zustandekommen gespielt hatte, versetzte ihn in Hochstimmung. Er betrachtete es als einen Triumph für die dynastische Diplomatie und einen »Wendepunkt« in der europäischen Politik, der ein neues Blatt in der Weltgeschichte aufschlagen werde. In dieser Hinsicht sollte er enttäuscht werden. In Anbetracht der massiven Unterstützung für einen früheren Vertragsentwurf von 1904 ist es verwunderlich, dass sich Bülow nunmehr seltsamerweise weigerte, die Verpflichtung, die Wilhelm bei Björkö eingegangen war, zu akzeptieren und gegenzuzeichnen. Der Kanzler protestierte gegen eine Änderung, die Wilhelm – gegen den Rat des Auswärtigen Amtes 60 – am Entwurf vorgenommen hatte und die den Gültigkeitsbereich des Vertrages auf Europa beschränkte. (Im ursprünglichen Entwurf hatte es geheißen, das Bündnis werde bei einem Angriff in Europa oder anderswo auf der Welt aktiviert werden.) Nach einer Denkpause von einigen Tagen reichte Bülow seinen Rücktritt ein. Indem Wilhelm den Gültigkeitsbereich auf Europa begrenzt habe, so Bülow in seinem Rücktrittsgesuch, habe er ihn wertlos gemacht, weil Deutschland auf dem Kontinent viel eher Russland zu Hilfe eilen könne als Russland Deutschland. Ob Bülows Einwand wirklich stichhaltig war, ist unter Historikern umstritten. Lamar
Cecil neigt dazu, die Argumente im Brief des Kanzlers unkritisch zu übernehmen und seine negative Einschätzung der Diplomatie Wilhelms zu teilen. Katharine Lerman hingegen vertritt die These, Wilhelms Eingriff habe vernünftige Beweggründe gehabt (nämlich das Bestreben, eine Verwicklung Deutschlands in einen imperialistischen Konflikt zwischen Russland und Großbritannien zu vermeiden) und der Vertrag hätte durchaus, wenn er ratifiziert worden wäre, einen wertvollen Nutzen haben können. Beide sind sich jedoch einig, dass Bülows Protest und Rücktritt zum großen Teil auf den Wunsch zurückzuführen waren, die eigene Stellung zu stärken und seine Unabhängigkeit vom Kaiser zu bekräftigen. 61
    Wie sich dieser Showdown wegen des Björkö-Vertrags auf die Beziehung zwischen Kaiser und Kanzler auswirkte, ist bereits erörtert worden. Was den Wert der geänderten Fassung für die deutsche Diplomatie anging, so wurde diese Frage rasch bedeutungslos, weil sich herausstellte, dass die Franzosen ein solches Abkommen niemals mit unterzeichnet hätten. 62 In einer Denkschrift für den Zaren wies der russische Außenminister Graf Lamsdorff darauf hin, dass es »unzulässig« sei, »zwei Regierungen, deren Interessen völlig

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