Will Trent 03 - Letzte Worte
die ganze Stadt schockiert, Sara selbst eingeschlossen. Sie war nicht die Art von Mädchen, die den gut aussehenden Kerl bekam. Sie war eher die Art von Mädchen, die zusah, wie die Schwester oder die beste Freundin den gut aussehenden Kerl bekam. Und dennoch wurde aus ihren ersten, unverbindlichen Rendezvous schnell etwas Tieferes, sodass ein paar Jahre später niemand überrascht war, als Jeffrey ihr einen Heiratsantrag machte. Ihre Beziehung war harte Arbeit gewesen, und es hatte bei Gott Höhen und Tiefen gegeben, letztendlich aber hatte sie gespürt, dass sie Jeffrey mit jeder Faser ihres Wesens gehörte und, noch wichtiger, dass er vollkommen ihr gehörte.
Sara wischte sich im Fahren die Tränen mit dem Handrücken weg. Die Sehnsucht war das Schwerste, der körperliche Schmerz, den sie bei jeder Erinnerung an ihn spürte. Es gab keinen Teil der Stadt, der ihr ihren Verlust nicht ins Gesicht schlug. Diese Straßen waren von ihm sicher gemacht worden. Die Menschen hier hatten ihn als Freund betrachtet. Und hier war Jeffrey gestorben. Dort war die Kirche, in der sie seinen Tod betrauert hatten. Dort war die Straße, auf der eine lange Schlange Autos an den Rand gefahren war, als sein Sarg aus der Stadt hinausgebracht wurde.
Sie würde nur vier Tage hier sein. In diesen vier Tagen konnte sie alles Mögliche tun.
Fast alles.
Sara fuhr den langen Weg zum Haus ihrer Eltern, um die Main Street und die Kinderklink nicht sehen zu müssen. Die Unwetter, die sie auf der Fahrt von Atlanta verfolgt hatten, hatten sich endlich gelegt, aber an den dunklen Wolken am Himmel sah sie, dass das nur eine vorübergehende Atempause war. Das Wetter schien in letzter Zeit zu ihrer Stimmung zu passen – unvermittelte, heftige Gewitter und dazwischen flüchtige Sonnenstrahlen.
Wegen der Thanksgiving-Ferien herrschte so gut wie kein Verkehr. Keine Autos, die sich auf der Zufahrt zum College drängten. Niemand fuhr ins Stadtzentrum, weil er in der Mittagspause einkaufen wollte. Dennoch bog sie am Lakeshore Drive links statt rechts ab und machte einen Umweg von zwei Meilen am Lake Grant entlang, damit sie nicht an ihrem alten Haus vorbeifahren musste. An ihrem alten Leben.
Wenigstens das Haus der Familie Linton war in seiner Vertrautheit für Sara ein willkommener Anblick. Am Haus war im Lauf der Jahre viel gemacht worden – man hatte Anbauten hinzugefügt, neue Bäder eingebaut und alte modernisiert. Saras Vater hatte ein Apartment auf die Garage gesetzt, damit sie in den Sommerferien eine Unterkunft hatte. Tessa, Saras jüngere Schwester, hatte fast zehn Jahre darin gewohnt, während sie darauf wartete, dass ihr Leben endlich anfing. Eddie Linton war selbstständiger Installateur. Er hatte beiden Mädchen das Gewerbe beigebracht, doch nur Tessa war lange genug geblieben, um etwas damit anfangen zu können. Dass Sara sich für das Medizinstudium entschlossen hatte und nicht für die Erkundung feuchter, dunkler Schächte zusammen mit Schwester und Vater, war für Eddie eine Enttäuschung, die er noch immer zu verbergen suchte. Er war ein Vater, der am glücklichsten waren, wenn seine Töchter in der Nähe waren.
Sara wusste nicht, wie Eddie reagiert hatte, als Tessa den Familienbetrieb verließ. Etwa um die Zeit, als Sara Jeffrey verlor, hatte Tessa geheiratet und sich achttausend Meilen entfernt in Südafrika ein Leben aufgebaut, um dort mit Kindern zu arbeiten. Sie war so impulsiv, wie Sara nüchtern war, doch als beide Teenager waren, hätte niemand erwartet, dass sie einmal so werden würden, wie sie jetzt waren. Dass Tessa jetzt Missionarin war, konnte Sara auch noch immer kaum glauben.
» Sissy! « Tessa kam aus dem Haus gestürzt, und ihr Schwangerschaftsbauch bebte, als sie sich seitlich das Vordertreppchen hinunterhangelte. » Wo bleibst du nur so lange? Ich bin am Verhungern! «
Sara war noch kaum ausgestiegen, als ihre Schwester schon die Arme um sie schlang. Diese Umarmung war intensiver als nur eine Begrüßung, und Sara spürte die Dunkelheit zurückkommen. Sie war sich nicht mehr sicher, ob sie das auch nur vier Minuten aushalten würde, geschweige denn vier Tage.
Tessa murmelte: » O Sissy, alles hat sich so verändert. «
Sara blinzelte Tränen weg. » Ich weiß. «
Tessa ließ sie los. » Sie haben jetzt einen Pool. «
Sara lachte überrascht. » Einen was? «
» Mum und Dad haben einen Pool gebaut. Mit einem Warmwasserbecken. «
Sara wischte sich die Augen ab. Sie lachte noch immer, denn sie liebte ihre
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