Wimsey 07 - Fünf falsche Fährten
Barrhill den Zug nehmen. Das sind neun bis zehn Meilen Straße. Wenn er schnell fährt, kann er sie in einer Stunde schaffen, oder in eineinhalb Stunden, weil die Straße schlecht ist. Sagen wir, er hat um elf mit Malen aufgehört, dann war er um halb eins in Barrhill. Von dort kann er einen Zug nach Stranraer und Port Patrick oder auch nach Glasgow genommen haben; oder falls er sich des Fahrrads entledigt hätte, könnte er auch irgendwohin mit dem Bus gefahren sein. Ich an Ihrer Stelle würde mal in dieser Richtung suchen lassen.»
Der Sergeant sah seine Kollegen an und las Zustimmung in ihren Blicken.
«Und wer käme Ihrer Ansicht nach, Mylord, am ehesten für die Tat in Frage?» erkundigte er sich.
«Nun», meinte Wimsey, «ich wüßte ein halbes Dutzend Leute mit erstklassigen Motiven. Aber der Mörder muß ein Künstler sein, und zwar ein gescheiter, denn das Gemälde hier muß ja als ein Campbell durchgehen können. Er muß Auto fahren können und ein Fahrrad besitzen, oder zumindest wissen, wie er an eines herankommt. Er muß ziemlich kräftig sein, sonst hätte er die Leiche nicht dort hinaufschleppen können, und Schleifspuren kann ich nirgends sehen. Er muß gestern abend später als Viertel nach neun mit Campbell zusammen gewesen sein, denn um diese Zeit habe ich selbst ihn noch quicklebendig in den McClellan Arms gesehen. Er muß Land und Leute ziemlich gut kennen, denn offenbar hat er gewußt, daß Campbell für sich allein lebt und nur eine Zugehfrau hat, so daß sein Verschwinden heute früh niemandem auffiel. Entweder führt er selbst so ein Leben, oder er hatte einen guten Vorwand, heute schon vor dem Frühstück auszugehen. Wenn Sie einen finden, auf den das alles paßt, haben Sie wahrscheinlich den richtigen. Seine Eisenbahnfahrkarte – falls er mit der Eisenbahn gefahren ist – müßte sich zurückverfolgen lassen. Möglicherweise komme ich ihm aber auch noch selbst auf die Schliche, und zwar auf einem ganz anderen Weg und sehr viel müheloser.»
«Ach nee», meinte der Sergeant. «Aber wenn Sie ihn haben, sagen Sie uns Bescheid, ja?»
«Abgemacht», sagte Wimsey. «Obwohl das ziemlich unerfreulich für mich sein wird, denn ich wette zehn gegen eins, daß es einer ist, den ich kenne und viel besser leiden kann als Campbell. Aber es gehört sich nun einmal nicht, Leute zu ermorden, und wenn sie noch so widerlich sind. Ich will mich bemühen, ihn in Fesseln zu schlagen – sofern er mir nicht vorher den Schädel einschlägt.»
Ferguson
Auf dem Rückweg nach Kirkcudbright fiel Wimsey ein, daß es allerhöchste Zeit zum Tee war und es außerdem keine schlechte Idee wäre, Campbells Cottage einen Besuch abzustatten. Er fuhr also am Anwoth Hotel vor, und während er sich gierig mit Kartoffelplätzchen und Ingwerkuchen vollstopfte, stellte er eine provisorische Liste der Verdächtigen zusammen.
Nach dem Essen sah die Liste folgendermaßen aus:
Wohnhaft in Kirkcudbright:
1. Michael Waters, 28 Jahre, 1,78 groß, ledig, möbliert wohnend. Landschaftsmaler – gibt an, Campbells Stil fälschen zu können. Am Abend zuvor Streit mit Campbell – hat gedroht, ihm das Genick zu brechen.
2. Hugh Farren, 35 Jahre, 1,75 groß, Figuren- und Landschaftsmaler, sehr kräftig gebaut, verheiratet, bekanntlich auf Campbell eifersüchtig. Lebt allein mit Ehefrau, die offenbar sehr an ihm hängt.
3. Matthew Gowan, 46 Jahre, 1,85 groß, Figuren- und Landschaftsmaler, auch Kupferstecher, ledig, bewohnt Haus mit Dienerschaft, wohlhabend. Ist von Campbell in aller Öffentlichkeit beleidigt worden; spricht nicht mehr mit ihm.
Wohnhaft in Gatehouse-of-Fleet:
4. Jock Graham, 36 Jahre, 1,80 groß, ledig, wohnhaft im Anwoth Hotel , Porträtmaler, begeisterter Angler, Luftikus. Fehde mit Campbell ortsbekannt; soll ihn bei einem Handgemenge in den Fleet getaucht haben.
5. Henry Strachan, 38 Jahre, 1,88 groß, verheiratet, ein Kind, ein Dienstmädchen. Porträtmaler und Illustrator, Vorsitzender des Golfclubs. Hat Campbell nach Streit vom Golfgelände gewiesen.
Bis hierher war die Liste gediehen, als der Wirt des Anwoth Hotel hereinkam. Wimsey berichtete ihm das Neueste über den Fall Campbell, ohne allerdings die Mordtheorie zu erwähnen, und ließ die Bemerkung fallen, daß er zu Campbells Haus fahren und sich mal erkundigen wolle, ob dort jemand über seine Pläne Bescheid gewußt habe.
«Glaub nicht, daß Sie da viel erfahren», sagte der Wirt. «Mrs. Green, die ihm den Haushalt führt, ist wieder nach Hause
Weitere Kostenlose Bücher
Eis und Dampf: Eine Steampunk-Anthologie (German Edition) Online Lesen
von
Mike Krzywik-Groß
,
Torsten Exter
,
Stefan Holzhauer
,
Henning Mützlitz
,
Christian Lange
,
Stefan Schweikert
,
Judith C. Vogt
,
André Wiesler
,
Ann-Kathrin Karschnick
,
Eevie Demirtel
,
Marcus Rauchfuß
,
Christian Vogt