Wimsey 07 - Fünf falsche Fährten
Straße war vollkommen verlassen, wenn man von dem kleinen Bächlein absah, das friedlich neben ihr her plätscherte. Einmal mußte Wimsey aussteigen, um ein Gatter zu öffnen. Der Bach verließ die rechte Straßenseite, floß unter einer kleinen Brücke hindurch und tauchte auf der linken Seite wieder auf, rieselte über Steine hinunter und schlängelte sich unter einer Baumgruppe dahin. Die Sonne wurde heller.
Zwischen 20 und 25 nach neun kamen sie die kurze, steile Gefällstrecke nach Creetown hinunter, genau gegenüber dem Uhrturm. Wimsey lenkte den Wagen nach rechts auf die Hauptstraße und begegnete dem erstaunten Blick des Besitzers vom Ellangowan Hotel , der sich mit einem Motoristen an der Benzinsäule unterhielt. Für einen kurzen Augenblick machte er ein Gesicht, als ob er einen Geist gesehen hätte – dann fiel sein Blick auf MacPherson und Dalziel, die mit dem Staatsanwalt im zweiten Wagen folgten, und hob mit verstehendem Lächeln die Hand.
«Erster nicht eingeplanter Zwischenfall», sagte Wimsey. «Es macht einen stutzig, daß Ferguson an dieser Stelle nicht gesehen worden sein soll – besonders wo er doch sehr wahrscheinlich gesehen werden wollte. Aber so ist das Leben. Wenn man etwas unbedingt will, kriegt man’s nicht.»
Er trat aufs Gaspedal und nahm jetzt die Straße mit guten 35 Meilen die Stunde. Fünf Meilen weiter passierte er die Abzweigung nach New Galloway. Es war kurz nach halb zehn.
«Ziemlich nah dran», sagte Wimsey zu sich selbst. Er ließ den Fuß hart auf dem Gaspedal und jagte über den schönen neuen, griffigen Straßenbelag dahin, der erst frisch aufgetragen war und in kurzer Zeit die Straße zwischen Creetown und Newton Stewart zu einer der sichersten und schönsten in den drei Königreichen machen würde. Kurz hinter Newton Stewart mußte er die Fahrt wieder verlangsamen, um an den Straßenbaumaschinen und den Arbeitern vorbeizufahren, die mit der Straßenerneuerung bis hierher gekommen waren. Nach kurzer Verzögerung beim Holpern über den frischen Schotter konnte er wieder Gas geben, doch anstatt der Hauptstraße weiter zu folgen, bog er kurz vor Erreichen der Brücke auf eine Straße dritter Klasse ab, die parallel zur Hauptstraße über Minnigaff führte und dem linken Ufer des Cree folgte. Sie verlief durch einen Wald und an den Lachsfallen des Cree vorbei, durch Longbaes und Borgan und kam in das einsame Hügelland, wo grüner Hügel auf grünen Hügel folgte, rund wie der Berg des Königs vom Elfenland; noch eine scharfe Rechtsbiegung, und er sah sein Ziel vor sich – die Brücke, das rostige Eisengatter, die steile Granitwand, die über dem Minnoch hing.
Er fuhr den Wagen ins Gras und stieg aus. Der Polizeiwagen fuhr in den Schutz eines kleinen Steinbruchs auf der anderen Seite. Als die Beobachter zu Wimsey kamen, war dieser schon dabei, die Plane zu entfernen und das Fahrrad abzuladen.
«Sie sind eine gute Zeit gefahren», bemerkte der Inspektor. «Es ist gerade zehn Uhr.»
Wimsey nickte. Er lief auf die Anhöhe und spähte über die Straße und die Hügel rechts und links. Keine Menschenseele zu sehen – nicht einmal eine Kuh oder Schafe. Obwohl sie sich kaum ein paar Schritte von einer Hauptstraße und nur wenige hundert Meter von einem Bauernhof entfernt befanden, war es hier so still und verlassen wie mitten in einer Wüste. Er lief wieder zum Wagen hinunter, warf das Malzeug ins Gras, öffnete die Tür zu den Rücksitzen und packte grob die zusammengekrümmte Gestalt des Polizeipräsidenten, der, nach dieser widerwärtigen Fahrt mehr tot als lebendig, die Steifheit kaum zu spielen brauchte, die ihm in allen Gliedern saß. Ein elendes Bündel auf Wimseys Rücken, trat er das letzte schwankende Stück seiner Reise an und wurde mit schwerem Plumps auf den harten Granit geworfen, hart am Rande des Abgrunds.
«Warten Sie hier», sagte Wimsey drohend, «und rühren Sie sich nicht, sonst fallen Sie in den Fluß.»
Der Polizeipräsident grub die Finger in ein Büschel Heidekraut und betete stumm. Einmal öffnete er die Augen, sah den Granithang jäh unter ihm abfallen und schloß sie schnell wieder. Ein paar Minuten später fühlte er sich mit einer muffigen, erstickenden Plane zugedeckt. Eine erneute Pause trat ein, in der er Stimmen und herzloses Lachen hörte. Dann wurde er von neuem allein gelassen. Er versuchte sich vorzustellen, was da vor sich ging, und riet ganz richtig, daß Wimsey das Fahrrad irgendwo versteckte. Dann kamen die Stimmen zurück, und
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