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Winterkinder: Drei Generationen Liebe und Krieg (German Edition)

Winterkinder: Drei Generationen Liebe und Krieg (German Edition)

Titel: Winterkinder: Drei Generationen Liebe und Krieg (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Owen Matthews
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Endlich hatte der »Moloch der Geschichte«, von der Mila so bitter geschrieben hatte, seinen Kurs geändert.

    Als Mervyn am 20. Juli aus New York zurückkehrte, kletterte der amerikanische Astronaut Neil Armstrong gerade aus dem Mondlandefahrzeug der Apollo 11 auf die Oberfläche des Mondes. »Wir sind auf verschiedenen Planeten«, hatte Mila 1964 in den ersten Tagen ihrer Trennung an Mervyn geschrieben. »Zu Dir zu fliegen ist für mich genauso schwer, wie auf den Mond zu fliegen.« Doch nun war jemand auf den Mond geflogen – und, genauso unerwartet, schien Milas Traum, die Sowjetunion zu verlassen, gar nicht mehr so unmöglich.
    Mervyn wurde ins Außenministerium einbestellt. Sir Thomas Brimelow zögerte zunächst zuzugeben, dass Mervyn endlich Erfolg gehabt hatte. Sein Fall habe die Verhandlungen sehr erschwert, teilte Brimelow meinem Vater mit, und die Russen hätten die Angelegenheit aus der Übereinkunft ausschließen wollen. Mervyns unermüdlicher Kampf habe den Fall definitiv behindert, und nur unter größten Schwierigkeiten konnten die Sowjets dazu bewegt werden, ihre Abneigung gegen den Quälgeist Matthews zu überwinden. Trotzdem hatten sie ihre Zustimmung gegeben, und Mervyn konnte endlich ein sowjetisches Einreisevisum erwarten, sobald die Krogers frei waren. Mervyn fuhr zurück nach Pimlico und wagte kaum, die Neuigkeit zu glauben. Er beschloss, Mila gegenüber nichts zu sagen, aus Angst, falsche Hoffnungen zu wecken.
    Brooke kam vier Tage später in England an. Seine Freilassung war auf den Titelseiten der Abendzeitungen, mit knapper Erwähnung von Mervyn und Mila. Am selben Nachmittag gab Michael Stewart im Unterhaus eine Erklärung ab. Mervyn erhielt einen Platz auf der Diplomatengalerie; Derek saß auf der Besuchergalerie. Stewart verkündete, es sei vereinbart worden, die Krogers am 24. Oktober freizulassen. »In einer gesonderten Angelegenheit wurde vereinbart, dass drei britische Staatsbürger, die sich seit einigen Jahren erfolglos darum bemühen, sowjetische Bürger und Bürgerinnen zu heiraten, Einreisevisa in die Sowjetunion erhalten, um dort zu heiraten …« Derek und Mervyn, auf verschiedenen Seiten des Unterhauses, ernteten einen kleinen Beifall.
    Am folgenden Tag war die Times voller Einzelheiten. Außer Derek und Mervyn durfte noch eine dritte Person, Camilla Grey, eine Kunsthistorikerin, heiraten. Sie war mit Oleg Prokofjew verlobt, dem Sohn des Komponisten. Camilla hatte nichts mit Mervyns Kampf zu tun haben wollen. Es hatte noch ein paar weitere, undurchsichtigere Nebendeals gegeben. Bill Houghton und Ethel Gee, zwei Angestellte des Verteidigungsministeriums, die von Peter und Helen Kroger als KGB-Agenten rekrutiert worden waren, sollten frühzeitig auf Bewährung entlassen werden.
    Die meisten Zeitungen standen dem Austausch ablehnend gegenüber. »Je höher man menschliches Leben stellt, desto angreifbarer macht man sich für unmenschliche Erpressung«, schrieb die Daily Sketch in einem Leitartikel. »Nach dieser Erpressung bleiben nichts als Verachtung und eine große Sorge um künftige Beziehungen. Opfer wurde ein Mann, der offensichtlich kein Verbrechen begangen hat, das in einer demokratischen Gesellschaft als Verbrechen betrachtet würde. Im Unterhaus fragte man Stewart, was in Zukunft einen unschuldigen britischen Touristen in Moskau davor schützen sollte, aufgegriffen und in einem finsteren Deal gegen einen russischen Spion ausgetauscht zu werden? Stewart antwortete darauf: ›Ich glaube, es lässt sich mit einiger Sicherheit sagen, dass ein britischer Staatsbürger, der in die Sowjetunion reist und sich an die Gesetze dort hält, keinem Risiko ausgesetzt ist.‹ Das ist im Moment, da die roten Spione Peter und Helen Kroger noch in England festgehalten werden, sicherlich so. Doch was ist, wenn sie im Oktober freigelassen werden?«
    Mervyn hatte zwar von Wilsons Deal profitiert, doch er fühlte sich in seinem Patriotismus verletzt. England war tatsächlich bei dem Deal sehr schlecht weggekommen.

    Nun, da es offiziell war, buchte mein Vater einen Anruf bei Mila in ihrer Moskauer Wohnung und erreichte sie gerade noch, ehe sie mit Freunden in den Urlaub nach Nordrussland fuhr. Er erzählte ihr, dass der Agentenaustausch begonnen habe und sie Teil davon seien. Doch die Aussicht auf das unmittelbar bevorstehende Ende ihres langen und abenteuerlichen Kampfes schien keinem von beiden große Freude zu bereiten.
    »Ich hatte keine Freudenschreie oder Freudentränen erwartet,

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