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Winterkinder: Drei Generationen Liebe und Krieg (German Edition)

Winterkinder: Drei Generationen Liebe und Krieg (German Edition)

Titel: Winterkinder: Drei Generationen Liebe und Krieg (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Owen Matthews
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Woche brachte wichtige Neuigkeiten. Derek schickte ihm einen kleinen Zeitungsausschnitt aus dem Guardian : »Das Außenministerium forderte gestern den sowjetischen Botschafter Smirnowski auf, Berichte zu bestätigen, denen zufolge der Dozent Gerald Brooke, 30, der wegen angeblicher subversiver Aktivitäten eine fünfjährige Haftstrafe in Russland verbüßt, wahrscheinlich erneut wegen Spionage vor Gericht gestellt wird …« Brooke sollte im April 1970 aus der Haft entlassen werden; die Krogers hatten noch über zehn Jahre ihrer Strafe vor sich. Die Iswestija hatte bereits 1967 angedeutet, Brooke könnte wegen angeblicher Verwicklungen in Spionagetätigkeiten erneut vor Gericht gestellt werden. Nun bedeutete die Aufforderung an den sowjetischen Botschafter, dass die Gerüchte begründet gewesen waren. Doch es war immer noch unklar, wie die Regierung Wilson auf die neuerliche Erpressung aus Moskau reagieren würde.
    Mervyn schrieb an U Thant, den Generalsekretär der Vereinten Nationen, und verfasste zwei empörte Artikel für die russische Emigrantenzeitung Nowoje Russkoje Slowo . Wie zuvor vereinbart, tauschte er jede Woche lange Briefe und Audiobänder mit Derek aus – Telefonieren war zu teuer und dringenden Neuigkeiten vorbehalten.
    Am 16. Juni erschienen in der Times weitere Nachrichten zu Brooke: »Ein Sprecher des Außenministeriums teilte mit, die Verhandlungen im Fall Brooke (nicht unbedingt in Hinblick auf einen Austausch gegen die Krogers) seien fortgeschritten. In dieser Angelegenheit gibt es offenbar noch keine Bewegung. Ein Sprecher dementierte jedoch gestern Berichte darüber, der Englandbesuch des ostdeutschen Anwalts Wolfgang Vogel habe etwas mit dem Austausch zu tun.« Wenn Vogel involviert war, überlegte Mervyn, dann musste auf jeden Fall etwas im Gange sein.
    Mein Vater schickte knappe Telegramme an das Außenministerium: »Brooke-Kroger-Austausch muss sowjetische Verlobte Bibikowa, Ginsburg einschließen. Beobachten Entwicklungen genau. Erwägen öffentliche Aktionen«, schrieb er an Michael Stewart, der inzwischen Außenminister war. »Verhandlungen wegen Brooke müssen Bibikowa und Ginsburg einschließen, kein anderer Kurs akzeptabel«, telegrafierte er an Sir Thomas Brimelow, Deputy Under-Secretary of State im Außenministerium und einer der von Mervyn am meisten gehassten Bonzen dort.
    Am 18. Juni ließ er den Telegrammen Briefe folgen: »Lieber Brimelow [sic], ich habe erfahren, dass Sie einen Brooke-Kroger-Austausch in Erwägung ziehen. Sowohl Derek Deason als auch ich selbst erwarten, unsere leidgeprüften Verlobten darin eingeschlossen zu sehen … Die katastrophalen Ereignisse des Jahres 1964 sind in meiner Erinnerung noch sehr lebendig, und ich habe nicht vor, das Außenministerium noch weitere Fehler auf meine Kosten machen zu lassen. Ein Brooke-Kroger-Austausch [ohne die Verlobten] wäre ein weiteres Versagen Ihrerseits … Offen gesagt erwarten wir, dass alle weiteren Austauschverhandlungen auch unsere Verlobten mit einschließen. Ansonsten sehen wir uns gezwungen, alle uns möglichen öffentlichen und privaten Schritte zu unternehmen, um zu verhindern, dass nach so vielen tränenreichen Jahren unsere Interessen ignoriert werden. Abschriften dieses Briefes gehen an den Premierminister und den Geheimdienstchef.«
    Im Kabinett kam es am 20. Juni 1969 zu einer hitzigen Debatte über den vorgeschlagenen Austausch. Die Argumente dafür, Brooke aus Russland herauszuholen, wurden durch die Aussage des britischen Seemanns John Weatherby gestärkt, der kurze Zeit in Russland interniert gewesen war, Brooke im Gefängnis getroffen hatte und bestätigte, dass sich dessen Gesundheitszustand verschlechterte. Harold Wilson hatte sich immer gegen den Austausch ausgesprochen, seit er 1965 zum ersten Mal vorgeschlagen worden war, doch nun ließ er sich schließlich überzeugen. Vielleicht erinnerte er sich an den hartnäckigen jungen Waliser, der ihn in seinem Hotelzimmer in Moskau und auf der Straße in London angesprochen hatte. Wahrscheinlicher aber ist, dass er die anscheinend endlose Brooke-Saga zu einem Ende bringen wollte. Die Dreingabe der sowjetischen Bräute würde helfen, die negative Wirkung des Austauschs in der Öffentlichkeit und die Vorwürfe der Erpressbarkeit, die unausweichlich folgen würden, zu mildern. Unter Vorgabe humanitärer Gründe genehmigte das Kabinett offiziell den Austausch. Verhandlungen mit den Sowjets zur Durchführung würden unverzüglich angesetzt werden.

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