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Wir Kinder Vom Bahnhof Zoo

Wir Kinder Vom Bahnhof Zoo

Titel: Wir Kinder Vom Bahnhof Zoo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christiane F.
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wahnsinnig.
    Ich liebte die Pferde und den Esel, den sie da hatten. Aber am Reiten faszinierte mich wohl noch etwas anderes. Ich konnte wieder beweisen, dass ich Kraft und Macht hatte. Das Pferd, das ich ritt, war stärker als ich. Aber ich konnte es unter meinen Willen zwingen. Wenn ich runtergefallen bin, dann musste ich wieder rauf. So lange, bis mir das Pferd gehorchte.
    Mit den Stallarbeiten klappte es nicht immer. Dann brauchte ich Geld, um wenigstens eine Viertelstunde reiten zu können. Taschengeld bekamen wir selten. Da habe ich angefangen, ein bisschen zu betrügen. Ich habe die Rabattmarkenhefte eingelöst und die Bierflaschen von meinem Vater weggebracht, um das Pfandgeld zu bekommen.
    So mit zehn fing ich auch an zu klauen. Ich klaute in den Supermärkten. Sachen, die wir sonst nicht bekamen. Vor allem Süßigkeiten. Fast alle anderen Kinder durften Süßigkeiten essen. Mein Vater sagte, von Süßigkeiten bekäme man schlechte Zähne.
    Man lernte in Gropiusstadt einfach automatisch zu tun, was verboten war. Verboten zum Beispiel war, irgendetwas zu spielen, was Spaß machte. Es war überhaupt eigentlich alles verboten. An jeder Ecke steht ein Schild in der Gropiusstadt. Die sogenannten Parkanlagen zwischen den Hochhäusern, das sind Schilderparks. Die meisten Schilder verbieten natürlich Kindern irgendetwas.
    Ich habe die Sprüche auf den Schildern später mal für mein Tagebuch abgeschrieben. Das erste Schild stand schon an unserer Eingangstür. Im Treppenhaus und in der Umgebung unseres Hochhauses durften Kinder eigentlich nur auf Zehenspitzen rumschleichen. Spielen, Toben, Rollschuh-oder Fahrradfahren – verboten. Dann kam Rasen und an jeder Ecke das Schild: »Den Rasen nicht betreten.« Die Schilder standen vor jedem bisschen Grün. Nicht einmal mit unseren Puppen durften wir uns auf den Rasen setzen. Dann gab es da ein mickriges Rosenbeet und wieder ein großes Schild davor: »Geschützte Grünanlagen«. Unter diesem Hinweis war gleich ein Paragraf aufgeführt, nach dem man bestraft wurde, wenn man den mickrigen Rosen zu nahe kam.
    Wir durften also nur auf den Spielplatz. Zu ein paar Hochhäusern gehörte immer ein Spielplatz. Der bestand aus verpisstem Sand und ein paar kaputten Klettergeräten und natürlich einem Riesenschild. Das Schild steckte in einem richtigen eisernen Kasten drin, unter Glas, und vor dem Glas waren Gitter, damit wir den Quatsch nicht kaputt schmeißen konnten. Auf dem Schild stand also »Spielplatzordnung« und darunter, dass die Kinder ihn zur »Freude und Erholung benutzen« sollten. Wir durften uns allerdings nicht »erholen«, wann wir gerade Lust hatten. Denn was dann kam, war dick unterstrichen: »… in der Zeit von 8 bis 13 Uhr und 15 bis 19 Uhr.« Wenn wir also aus der Schule kamen, war nichts mit Erholung.
    Meine Schwester und ich hätten eigentlich gar nicht auf den Spielplatz gedurft, weil man dort laut Schild »nur mit Zustimmung und unter Aufsicht des Erziehungsberechtigten« spielen durfte. Und das auch nur ganz leise: »Das Ruhebedürfnis der Hausgemeinschaft ist durch besondere Rücksichtnahme zu wahren.« Einen Gummiball durfte man sich da gerade noch artig zuwerfen. Ansonsten: »Ballspiele sportlicher Art sind nicht gestattet.« Kein Völkerball, kein Fußball. Für die Jungens war das besonders schlimm. Die ließen ihre überschüssige Kraft an den Spielgeräten und Sitzbänken und natürlich an den Verbotsschildern aus. Es muss einige Kohle gekostet haben, die kaputten Schilder immer wieder zu erneuern.
    Über die Einhaltung der Verbote wachten die Hauswarte. Ich hatte schon ziemlich schnell bei unserem Hauswart verschissen. Nach unserem Umzug in die Gropiusstadt langweilte mich der Spielplatz aus Beton und Sand mit der kleinen Blechrutsche schon wahnsinnig. Da fand ich dann doch noch etwas Interessantes. Die Gullys im Beton, durch die das Regenwasser abfließen sollte. Damals konnte man das Gitter über dem Abfluss noch abheben. Später machten sie es dann fest. Ich hob also das Gitter ab und warf mit meiner Schwester allen möglichen Mist in den Gully. Dann kam der Hauswart, griff uns und zerrte uns in das Büro der Hausverwaltung. Da mussten wir beide, sechs und fünf Jahre alt, unsere Personalien angeben. So gut wir das schon konnten. Meine Eltern wurden benachrichtigt und mein Vater hatte einen guten Grund zum Prügeln. Ich begriff noch nicht so ganz, warum das so schlimm war, den Abfluss zu verstopfen. In unserem Dorf am Bach hatten wir ja ganz

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