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Wir Tiere: Roman (German Edition)

Wir Tiere: Roman (German Edition)

Titel: Wir Tiere: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Justin Torres
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Schwein, halb Wolf.
    Wir drei gingen von unserem Haus zum Drugstore, ein weiter Weg. Wir hockten uns auf den betonierten Bürgersteig, hielten Kleingeld in unseren Händen fest und baten Fremde, uns doch Wolfssachen zu kaufen – Zigaretten oder Bier oder Whiskey –, aber keiner willigte ein. Wir sollten verschwinden, meinten sie, oder sie sagten Sachen wie: »Whiskey? Shit, ihr seid doch noch Babys.«
    »Wolfsbabys!«, schrien wir. »Schweinebabys!«
    Als eine Schwangere herangewatschelt kam, sprang Manny auf, zeigte mit dem Finger und schrie: »He, Lady, ham Se da ne Bombe drin?«
    Wir trampelten mit den Schuhen auf dem Beton und kreischten vor Lachen. Joel warf das Kleingeld in die Höhe, und es regnete Silbermünzen. Wir lachten und lachten: »Ne Bombe, Himmel, ne Bombe!«
    Die Frau ging nicht davon; sie legte neugierig den Kopf zur Seite und rieb mit den Handflächen langsam über ihren Bauch, wartete, bis wir uns beruhigten, und sagte dann: »Das? Das ist ein Baby. Mein Baby.«
    Ihre Augen waren feuchte schwarze Löcher – keine Furcht, keine Verachtung, kein Mitleid –, diese Lady war ganz offen. Sie sog uns ein.
    Als sie sagte: »Steht mal auf«, taten wir es. Auch bei: »Kommt her.«
    Sie kauerte sich hin, packte uns nacheinander am Handgelenk und legte die Hand auf ihren Bauch.
    »Wartet mal«, sagte sie – aber so lange brauchten wir nicht zu warten.
    »Verdammt!«, sagte Joel. »Das will raus!«
    »Hat es einen Daddy?«
    »Alle Babys haben Daddys.«
    »Hat er Sie ausgetrickst?«
    »Ausgetrickst?«
    »Wie alt sind Sie?«
    »He, benehmt euch.«
    »Sind Sie vierzehn?«
    »Vierzehn? Um Himmels willen, nein.«
    »Tut das weh?«
    »Ein bisschen. Es wird richtig wehtun, wenn sie das Kind rausholen.«
    »Das tut Ihrer Vagina weh.«
    »Könnt ihr euch eigentlich nicht ordentlich benehmen?«
    Wir sahen betreten auf unsere Schuhe. Manny fegte das Kleingeld zusammen und drückte es ihr in die Hand.
    »Hier«, erklärte er, »für Ihr Baby. Sagen Sie ihm, wir haben es ihm geschenkt.«
    »Wer wir?«
    »Wir drei.«
    »Wir Brüder.«
    »Wir Musketiere.«
    »Wir Tricks.«
    Danach – nachdem wir die Lady verlassen hatten, die mit unserem kleinen Vermögen dastand und damit auf ihrer Handfläche klimperte – rannten wir nach Hause, zogen Ma aufs Sofa, schoben ihre Bluse hoch, küssten und pupsten mit den Lippen auf ihrem Bauch – der nun so dünn und fest war, kein Platz mehr für uns – und fragten: »Wir wehgetan?«, und wussten, dass wir dort mal gelebt hatten, in Mas Bauch, bevor wir drei zusammen waren, bevor wir Brüder waren.
    Und Ma? Sie stellte keine Fragen, ließ sich einfach aufs Sofa ziehen, wo sie rücklings lag und lachte; sie gab einfach nach, unsere Ma, hob die Arme über den Kopf, ergab sich; sie gab einfach auf.

Lina
    P aps verschwand für eine Weile, und Ma ging nicht mehr zur Arbeit, aß nicht, kochte nicht für uns, spülte keine Kippen mehr im Klo runter, sondern ließ sie liegen, in leeren Flaschen und Teetassen; nasse Kippen verstopften den Ausguss in der Spüle. Sie schlief nicht mehr in ihrem Bett, sondern auf der Couch oder dem Fußboden, manchmal auch am Küchentisch, den Kopf auf einem Arm, der andere baumelte Richtung Linoleum, wo sich um sie kleine Häufchen aus Kippen und leeren Schachteln und Asche auftürmten.
    Wir gingen auf Zehenspitzen. Wir aßen Erdnussbutter auf Salzkräckern und dünne Spaghetti in Pflanzenöl und Reibekäse. Wir aßen die Sachen hinten aus dem Kühlschrank, lang vergessen, Orangenmarmelade, in der die Schalenstreifen schwammen wie Insekten in Bernstein. Wir aßen Instant-Brotfüllung und weißen Reis mit Sojasauce oder Ketchup.
    Lina, Mas Vorgesetzte, rief an.
    »Es sind jetzt schon sechs Schichten hintereinander«, sagte sie. »Was ist bei euch los?«
    Rings um sie herum summten und klapperten Maschinen. Da war das durchdringende Geschepper von Flaschen, die ein Fließband entlanglaufen.
    »Was meinen Sie damit?«, fragte ich.
    »Lauter, Kleiner«, rief Lina. »Hier ist mehr Krach als in der Hölle.«
    » Was meinen Sie damit ?«
    »Ich mein, es ist laut hier! Ich kann dich kaum verstehen. Scheiß drauf. Kleiner, ich komm mal vorbei und schau nach dem Rechten.« Die Verbindung wurde unterbrochen, und ich wartete auf den Wählton und dann den anderen Lärm, der einem sagte, dass man vergessen hatte aufzulegen.
    Lina kam direkt aus der Brauerei vorbei, noch immer im langen weißen Laborkittel, die Sicherheitsbrille auf dem Kopf. Sie war in China geboren; sie

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