Wissen auf einen Blick - Philosophen
Vorwort
Haben Sie sich je gefragt, wie Ihre Armbanduhr funktioniert? Waren Sie schon einmal versucht, sie aufzuschrauben? Dann haben Sie das Zeug zum Philosophen, denn die Welt ist wie eine Uhr. Die meisten benutzen sie nur und bringen sie zum Uhrmacher, wenn sie stehen bleibt. Aber einige wollen wissen, wie die Uhr von innen aussieht. Diese Neugier ist kennzeichnend für einen Philosophen. Denn Philosophieren heißt, die Welt nicht hinzunehmen, wie sie ist, sondern zu fragen, warum sie ist, wie sie ist, was sie zusammenhält und weshalb es sie gibt. Vielleicht läuft die Uhr auch ohne unser Zutun, vielleicht sogar besser und genauer. Aber schon Platon lehrte, das ungeprüfte Leben sei nicht lebenswert. Manche Philosophen haben den Bauplan der Uhr gesucht, andere ihre kleinsten Einzelteile, wieder andere Spuren des ursprünglichen Uhrmachers. Fanatische Bastler waren sie alle.
Aus dem Griechischen wörtlich übersetzt, bedeutet Philosophie Weisheitsliebe (nach
philos
, Freund, und
sophia
, Weisheit). Aber zu verschiedenen Zeiten galten ganz unterschiedliche Arten von Erkenntnis als Weisheit. Der erste Gegenstand der Philosophie war die Natur. Frühe griechische Denker wie Thales und Heraklit fragten nach dem Baustoff der Welt und den Gesetzen der Bewegung. Für Platon ist die grundlegende philosophische Disziplin die Ideenlehre: die Ergründung der ewigen Urbilder aller Dinge. Die christlich geprägte Philosophie der Spätantike und des Mittelalters dagegen handelt von Gott als dem höchsten Wesen und von seinen Eigenschaften. Das gilt für Aurelius Augustinus im 4. Jahrhundert, für Thomas von Aquin im 13. Jahrhundert und letztlich noch im 17. Jahrhundert für Baruch de Spinoza, der schon an der Schwelle zur Moderne steht. Descartes, in dem viele den Vater der modernen Philosophie sehen, erklärte die Erkenntnis selbst zum wichtigsten philosophischen Thema. Diese Selbstversicherung des erkennenden Subjekts gipfelt in der kritischen Philosophie Immanuel Kants. Rund 100 Jahre danach rücken Kierkegaard und Nietzsche den Menschen als Mängelwesen ins Zentrum des Denkens; die Auseinandersetzung mit Schwäche, Leid und Gottesferne ist der Angelpunkt ihres Denkens. Ludwig Wittgenstein schließlich erklärt die Abschaffung der Philosophie durch die Auseinandersetzung mit den Prinzipien der Sprache zur ersten, einzigen und letzten Philosophie.
Die Philosophie hat aber nicht nur wiederholt ihren Gegenstand gewechselt und erweitert, sie weist auch über sich selbst hinaus. Fast alle anderen Wissensgebiete sind aus der Philosophie hervorgegangen. Die Physik begann als Naturphilosophie. Die Chemie geht auf die philosophische Beschäftigung mit den Elementen und Atomen der Materie zurück. Die Psychologie ist aus der philosophischen Seelenlehre entstanden. Thales ist in diesem Sinne der erste Physiker, Demokrit der erste Chemiker, Platon der erste Psychologe. Jede Beschäftigung mit der Philosophie ist deswegen immer auch eine Reise zu den Wurzeln des Wissens überhaupt. Dabei ist die Philosophie ihrem Wesen nach niemals abgeschlossen. So lange Menschen leben, werden sie neue Fragen stellen, oder die alten Fragen neu.
Der Philosoph Hans Blumenberg hat einmal gesagt, Philosophieren lerne man, indem man jemandem zuhört, der etwas davon versteht. Tatsächlich gibt es für die eigene Lektüre der Werke der großen Philosophen keinen Ersatz. Warum dann dieses Buch? Damit aus Lesern Denker werden. Um die Neugier zu wecken auf das Innere der Uhr, und als erste Orientierung im Wirrwarr der Zeiger, Federn und Schwungräder. Die Einzelteile der Uhr liegen vor uns auf dem Tisch. Bauen wir sie gemeinsam wieder zusammen!
Dr. Cornelius Grupen
Der Baustoff der Welt
Thales von Milet (um 625–547/546 v. Chr.)
Woraus ist die Welt gemacht? Die Frage nach dem ursprünglichen Baustoff des Universums, aus dem alles einst gemacht wurde und in den, womöglich, alles einst wieder zerfallen wird, steht am Anfang der abendländischen Philosophie. Thales von Milet war einer der ersten, die sich dieser Frage widmeten. Er gilt als Begründer der Philosophie und der Wissenschaft, insbesondere der Astronomie.
Die archaischen Philosophen
Fast alle erhaltenen Zeugnisse der frühen Denker sind durchwirkt von der Suche nach dem Baustoff der Welt, der elementaren Materie. Die Suche nach dem Urstoff – griechisch
arche
– hat den ersten Philosophen des sechsten vorchristlichen Jahrhunderts auch ihren Namen gegeben: die archaischen Philosophen.
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