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Wittgensteins Mätresse: Roman (German Edition)

Wittgensteins Mätresse: Roman (German Edition)

Titel: Wittgensteins Mätresse: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Markson
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Aufgeben solcher Gerätschaften, oder die Entdeckung, dass man jedes Wasser, das man wünschte, wieder trinken konnte.
    Vielleicht war, was zuerst kam, die Geschicklichkeit im Umgang mit Feuer. Selbst wenn ich zwei Häuser niedergebrannt habe, im Lauf der Jahre.
    Beim letzten war es, wie ich vermerkt habe, versehentlich.
    Warum ich das erste niederbrannte, möchte ich nicht zu sehr vertiefen. Ich habe das ganz vorsätzlich getan. Allerdings.
    Das war in Mexiko, an dem Morgen, nachdem ich das Grab des armen Simon besucht habe.
    Nun, es war das Haus, in dem wir alle gelebt hatten. Ich glaubte ehrlich, ich hätte vorgehabt, dort zu bleiben, eine Zeit lang.
    Was ich getan habe, war, in Simons altem Zimmer überall Benzin zu vergießen.
    Einen Großteil des Vormittags konnte ich noch immer den Rauch höher und höher steigen sehen, in meinem Rückspiegel.
    Jetzt habe ich zwei riesige Feuerstellen. Hier in diesem Haus am Meer, von dem ich spreche. Und in der Küche einen veralteten Kanonenofen.
    Ich habe den Ofen allmählich recht lieb gewonnen.
    Simon war sieben gewesen. Nebenbei bemerkt.
    Viele verschiedene Beeren wachsen in der Nähe. Und gleich hinter dem Fluss gibt es allerlei Gemüse, aufFeldern, die früher bestellt worden waren, jetzt aber natürlich wild überwachsen sind.
    Vor dem Fenster, an dem ich sitze, wirbelt die Brise zehntausend Blätter umher. Sonnenlicht bricht durch den Wald in hell gesprenkelten Flecken.
    Blumen wachsen auch, in üppiger Fülle.
    Es ist ein Tag für ein bisschen Musik, wirklich, obwohl ich keine Mittel habe, mir welche zu besorgen.
    Jahrelang, wo immer ich war, brachte ich es im Allgemeinen fertig, eine zu spielen. Aber als ich begonnen habe, die Gerätschaften loszuwerden, musste ich die Musik auch aufgeben.
    Gepäck bin ich losgeworden, im Wesentlichen. Nun, Dinge.
    Hin und wieder passiert es einem, dass man eine bestimmte Musik im Kopf hört. Allerdings.
    Nun, ein Bruchstück von diesem oder jenem, in jedem Fall. Antonio Vivaldi, etwa. Oder Joan Baez, die singt.
    Es ist nicht lange her, da hörte ich sogar eine Passage aus Les Troyens , von Berlioz.
    Wenn ich hörte sage, sage ich so nur sozusagen. Selbstverständlich.
    Dennoch, vielleicht ist doch Gepäck da, selbst wenn ich glaubte, ich hätte Gepäck zurückgelassen.
    Eine Art Gepäck. Das Gepäck, das einem im Kopf bleibt, das heißt, Reste von all dem, was immer man jemals wusste.
    So etwas wie die Geburtstage von Leuten wie Pablo Picasso oder Jackson Pollock, zum Beispiel, die ich, davon bin ich überzeugt, noch immer hersagen könnte, wenn ich wollte.
    Oder Telefonnummern, aus all jenen vergangenen Jahren.
    Es gibt ein Telefon genau hier, wirklich, nicht mehr als drei oder vier Schritte hinter dem Platz, wo ich sitze.
    Natürlich habe ich über Nummern von funktionierenden Telefonen gesprochen. Allerdings.
    Tatsächlich gibt es ein zweites Telefon oben, nahe dem Fensterplatz mit dem Polster, von dem aus ich die Sonne untergehen sehe, an den meisten Abenden.
    Die Polster, wie so vieles andere hier am Strand, sind modrig. Sogar an den heißesten Tagen spürt man die Feuchtigkeit.
    Bücher werden dadurch ruiniert.
    Bücher waren weitere Dinge des Gepäcks, das ich loswurde, übrigens. Selbst wenn es noch immer viele in diesem Haus gibt, die schon hier waren, als ich angekommen bin.
    Ich sollte vielleicht darauf hinweisen, dass es acht Zimmer in dem Haus gibt, obwohl ich nur zwei oder drei benutze.
    Ich habe wirklich gelesen, zeitweise, über die Jahre. Insbesondere wenn ich wahnsinnig war, las ich eine ganze Menge.
    Einen Winter lang habe ich fast alle alten griechischen Dramen gelesen. Ich habe sie tatsächlich laut vorgelesen. Die ganze Zeit hindurch, sobald ich mit der Rückseite eines Blattes fertig war, riss ich es aus dem Buch heraus und warf es in mein Feuer.
    Aischylos und Sophokles und Euripides habe ich in Rauch verwandelt.
    Sozusagen könnte man auf diese Weise davon denken.
    Auf andere Weise sozusagen könnte man behaupten, es wären Helena und Klytämnestra und Elektra, mit denen ich das getan habe.
    Beim besten Willen habe ich keine Ahnung, warum ich das getan habe.
    Wenn ich verstanden hätte, warum ich das getan habe, wäre ich zweifellos nicht wahnsinnig gewesen.
    Wäre ich nicht wahnsinnig gewesen, hätte ich es zweifellos überhaupt nicht getan.
    Ich bin mir wirklich nicht sicher; dass jene zwei letzten Sätze irgendeinen besonderen Sinn ergeben.
    In jedem Fall erinnere ich mich auch nicht, wo genau es war,

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