Wittgensteins Mätresse: Roman (German Edition)
Augenblick, beim Zurückschlendern, könnte ich etwas Brahms gehört haben. Ich würde sagen, die Alt-Rhapsodie , obwohl ich bezweifle, dass ich mich an die Alt-Rhapsodie erinnere.
Zweifellos gab es ein Porträt von Lawrence von Arabien in der National Portrait Gallery.
Und jetzt habe ich den Namen T. E. Shaw in meinem Kopf. Aber es ist noch eine dieser vorbeihuschenden Identitäten, die ich überhaupt nicht zu fassen bekomme.
Nichts davon beunruhigt mich. Nebenbei bemerkt.
Sehr wenig tut das, wie ich vielleicht deutlich gemacht habe oder nicht.
Nun, wie lächerlich unter diesen Umständen, sollte ich zulassen, dass irgendetwas das tut.
Hin und wieder rege ich mich auf wegen einer arthritischen Schulter, wenn sich aufregen das richtige Wort dafür ist. Der linken, die mich zuweilen leicht behindert.
Sonnenschein ist eine Hilfe. Allerdings.
Meine Zähne, andererseits, sprechen überhaupt nicht für fünfzig Jahre. Kopf auf Holz, für meine Zähne.
Ich kann mich nicht an das Geringste erinnern, was die Zähne meine Mutter betrifft, beim Versuch, zurückzudenken. Oder die meines Vaters.
Auf jeden Fall bin ich vielleicht nicht älter als siebenundvierzig.
Ich kann mir die schöne Helena nicht mit Zahnproblemen vorstellen. Oder Klytämnestra mit Arthritis.
Da war Cézanne. Selbstverständlich.
Obwohl es nicht Cézanne war, sondern Renoir.
Ich habe keine Ahnung mehr, wo meine eigenen Malutensilien hingekommen sein können. Nebenbei bemerkt.
Einmal während dieser Jahre habe ich eine Leinwand aufgespannt. Wirklich. Ein Ungetüm von einer Leinwand, tatsächlich, mindestens neun mal fünf Fuß. Tatsächlich ha be ich sie mit nicht weniger als vie r Schichten Gipsgrund grundiert.
Und starrte sie nachher an.
Monate, vermute ich, starrte ich auf diese Leinwand. Möglicherweise drückte ich törichterweise sogar einige Farben auf meine Palette.
Tatsache ist, es war, glaube ich, als ich zurück nach Mexiko ging, dass ich das tat. In dem Haus, in dem ich einst mit Simon gelebt hatte, und mit Adam.
Ich bin mir im Grunde sicher, dass mein Ehemann Adam hieß.
Und setzte dann, nach Monaten des Anstarrens, die Leinwand eines Morgens mit Benzin in Brand und fuhr weg.
Über den breiten Mississippi.
In seltenen Momenten konnte ich beinahe Dinge auf dieser Leinwand sehen. Allerdings.
Beinahe. Achill zum Beispiel, in seinem Schmerz nach dem Tod seines Freundes, als er sich mit Asche bedeckte. Oder Klytämnestra, nachdem Agamemnon ihre Tochter geopfert hatte, um Wind für die griechischen Schiffe aufkommen zu lassen.
Ich habe keine Ahnung, warum die Stelle, wo Achill sich als Mädchen kleidet, mir immer so gefallen hat.
Was das betrifft, war es vielleicht wirklich eine Frau, die die Odyssee geschrieben hat, wie jemand einmal gesagt hat.
Als ich zurück in Mexiko war, konnte ich den ganzen Winter hindurch die alte Gewohnheit nicht loswerden, meine Schuhe jeden Morgen umzudrehen, damit etwaige Skorpione herausfallen.
Jede Menge von Gewohnheiten waren kaum totzukriegen, auf diese Weise. Gleichermaßen habe ich mich einige Jahre immer wieder beim Absperren von Türen ertappt.
Nun, und in London. Oft habe ich mir die Mühe gemacht, auf der britischen Seite der Straße zu fahren.
Nach seiner Trauer zahlte Achill es Hektor heim, indem er ihn erschlug, obwohl Hektor rannte und rannte.
Ich war kurz davor hinzuzufügen, dass es derlei Dinge waren, die Männer zu tun pflegten. Aber nach ihrer eigenen Trauer tötete Klytämnestra Agamemnon.
Mit etwas Unterstützung. Aber trotzdem.
Etwas sagt mir dunkel, dass das vielleicht eine der Ideen gewesen sein könnte, die ich für meine Leinwand hatte. Agamemnon in seinem Bad, verfangen in diesem Netz und durch es hindurch erstochen.
Weiß der Himmel, warum sich irgendjemand solch ein blutiges Thema gewünscht haben könnte. Allerdings.
Tatsache ist, wen ich in Wirklichkeit zu malen gedacht habe, war Helena. Bei einem der ausgebrannten Boote entlang des Strandes, nachdem die Belagerung endgültig beendet und sie gefangen genommen war.
Aber in dieser prächtigen Würde. Trotz allem.
Um die Wahrheit zu sagen, es war in Wirklichkeit direkt unter der Haupttreppe im Metropolitan, wo ich diese Leinwand aufstellte. Unter jenen hohen Oberlichtern, wo meine Einschusslöcher waren.
Wo ich mein Bett hingestellt hatte, war auf einem der Balkone, die diesen Bereich überschauen.
Das Bett selbst hatte ich aus einem der rekonstruierten historischen Räume. Ich glaube, möglicherweise
Weitere Kostenlose Bücher