Wittgensteins Mätresse: Roman (German Edition)
Gesetze mehr, man kann sich aber immer noch den Knöchel verstauchen, wenn man mit einem sperrigen Gemälde die Treppe runterfällt), der Raum ist seine eigene Grenze, aber auch der Raum (das ist das, was sich über dem Gitter breitmacht) scheint zu wandern, denn die einzige Überlebende ist mal in der Eremitage in St. Petersburg, dann wieder in Florenz, die große Kuppel bewundernd, dann im Prado, dann wieder woanders, das kein Woanders ist, weil es sich an nichts mehr als ein Woanders messen läßt in diesem überall gleichmäßigen Raum, der einen Grundriß besitzt, welcher zerreißt, sobald man ihn anschaut, fragmentiert wird, zu seinem eigenen Maßstab wird, obwohl man mit dem Gitter ja schon einen Maßstab gesetzt hat; dieser Maßstab jedoch wird jetzt weggenommen und durch einen ständig wechselnden, den Kate alleine bestimmt, ersetzt (ich sollte nicht Kate sagen, denn sie wird eben nur an einer einzigen Stelle so genannt, auch die Benennung ist ja eine Fixierung, das ist schon zuviel Definition, Festlegung in einem Raum, in dem nur noch die Bewegung und der Zustand des Körpers – blutend, nichtblutend, gehbehindert durch Verstauchung, unbehindert, im Auto fahrend – zählen). Die Bewegung schafft den Raum und den Ort. Die zerrissene Natur, die zusammengebrochen ist (nein, sie ist noch da, die Neutronenbombe würde ja auch nur die Menschen auslöschen, ihre Werke, soweit festen Charakters, ich meine mit fest: hart, aber unangetastet lassen), eine Bewegung, die nur von einer einzigen Person noch ausgeführt wird, willkürlich ausgeführt (denn plötzlich fährt ein Auto, rechtsgesteuert, immerhin, soviel wissen wir, also wahrscheinlich: England!, ja, genau!, es fährt einen Hügel nahe Hampstead Heath, es fährt ohne Fahrer einen Hügel hinab, und man sieht nicht, wohin es fährt, irgend etwas wird es wohl abgebremst haben, was ist das für eine Bewegung? Es gehört sich nicht für ein Auto, daß es nicht angetrieben und bewußt gesteuert wird), schafft also diesen Raum und diesen Ort, der aber wie gesagt ständig wechselt, auch wenn die Frau sich an einem Strand oder in einem Museum länger aufhält, man erfährt nicht, warum. Die Bewegung wird sozusagen eingefügt in wieder eine andere, in ihre eigene Bewegung im noch vorhandenen Raum-Zeit-Rahmen, sie wird dort eingespannt wie eine Leinwand in ihren Rahmen. So, jetzt bewegt sie sich endlich nicht mehr. Nur so kann sie Körper bleiben. Indem sie schaut, und nicht der Abgrund (ja, die Frau liest auch Nietzsche, sie liest nicht Nietzsche, ich sollte nicht sagen: die Frau, denn es ist immer: Ich), sondern das Schauen selbst schaut in sie hinein. »wie ich mich fühlte, inmitten all dieses Schauens«, das kann geschrieben werden. Doch das braucht alles einen Zugangscode, und auch den bestimmt sie, die Ich, und es könnten alle anderen Codes auch noch sein, denn die überlieferten Wörter und Begriffe regeln nichts mehr, wenn nur noch ein einziger Regler vorhanden ist, der sich an nichts mehr halten muß, weil nichts mehr geregelt werden kann, sosehr man sich auch an diesen Regler klammern mag: Eine Regel kommt nicht dabei heraus. Und die Dinge, die Kunstwerke vor allem, die wenigen Bücher, die zu lesen sind (da auf englisch, ein bißchen Spanisch können wir auch), bestimmen die Kräfte, die für das Schauen (und nicht mehr Gesehenwerden, da kein Subjekt mehr dafür vorhanden ist) nötig sind. Es ist alles da, was sich zeigt, aber die Zeiger sind abgebrochen. Die Frau zeigt sich selbst, was gezeigt werden kann. Sie weist auf etwas hin, das sich ihr zugewiesen hat, weil es einfach da war (aber sie sucht auch gezielt, überall, denn der Bewegungsraster, das Gitter, rastet nicht, es geht, ich sagte es schon, mit ihr mit, es gibt ihr das Maß vor, das sie selbst ist), erkundet wird, was sich zeigt, sie zeigt, was sie erkundet hat. Es muß alles hingenommen werden, was noch geblieben ist. Der Gitter-Grundriß schafft den Raum für die Tatsachen, und diese Tatsachen sind immer: Tat-Sachen (der Raub, die Vergewaltigung Kassandras und ihre Verschleppung ebenso wie die Opferung Iphigenies). Daraus folgt: Kunst. Ein Glück, daß man nicht alles selber machen muß! Andere haben es gemacht. Und was für eine Ironie, daß es eine Frau ist, die übrigbleibt, eine, die nichts machen mußte, aber das Gemachte, alles Gemachte zu ihrer Verfügung hat. Sie kann damit machen, was sie will, nein, nicht, was sie will, der Raum fordert etwas von ihr, Achtsamkeit, Verdrängung von
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