Wohin die Liebe führt
Sie war eine Lady, nach außen hin.
Nora Marguerite Cecilia Hayden. In ihr floß das stolze Blut der spanischen Dons des alten Kalifornien, das heiße Blut der Iren, die einst die Gleise der Eisenbahnen nach dem Westen gelegt hatten, das Eiswasser aus den Adern der Bankiers von Neuengland. Diese drei Sorten zusammengerührt - das ergab eine Lady. Und eine seltsame, wilde, starke Begabung, die sie hoch über alle andern hinaushob. Denn was Nora auch berührt, Stein oder Metall oder Holz, es nimmt Gestalt an, bekommt ein eigenes Leben. Und was sie anrührt, das eine Gestalt hat, ein eigenes Leben, das zerstört sie. Ich wußte es. Weil ich wußte, was sie aus mir gemacht hatte.
»Trink deinen Kaffee, solange er heiß ist, Luke.«
Ich sah auf. Elizabeths Augen sahen mich fest an. Ich trank mit kleinen Schlucken und fühlte, wie die Wärme in die Kälte hineinkroch, die in mir gewesen war.
»Danke.«
Sie saß mir gegenüber. »Du warst weit weg.«
Ich zwang meine Gedanken zurück zu ihr. »Ich habe nachgedacht.«
»Über Danielle?«
Ich nickte stumm, spürte ein Schuldgefühl in mir aufsteigen. Auch das war so eine Eigenheit von Nora: einem ins Hirn kriechen und sich die Gedanken aneignen, die jemand anderem gehörten.
»Was wirst du tun?« fragte Elizabeth.
»Ich weiß nicht. Ich weiß nicht, was ich tun soll.«
Ihre Stimme war warm und herzlich. »Das arme kleine Ding.«
Ich sagte nichts.
»Wenigstens ist ihre Mutter bei ihr.«
Ich lachte bitter. Nora war niemals bei einem andern. Nur bei sich selbst. »Nora hatte einen hysterischen Anfall; der Arzt hat sie für die Nacht außer Gefecht gesetzt.«
Elizabeth sah mich groß an. »Du meinst... Danielle ist allein?«
»Noras Rechtsanwalt ist mit ihr zum Jugendgewahrsam gefahren.«
Elizabeth schaute mich noch einen Augenblick an, dann stand sie auf und ging hinüber zum Geschirrschrank. Sie nahm eine zweite Tasse heraus und holte einen Teelöffel vom Ablaufbrett des Spültisches. Ihre Hand zitterte. Der Löffel fiel klirrend auf den Linoleumboden. Sie wollte ihn aufheben, hielt aber inne. »Verdammt. ich bin so schwerfällig!« schalt sie.
Ich hob ihn auf und nahm einen andern Teelöffel aus der Schublade. Sie goß sich Kaffee ein und setzte sich wieder. »Es ist schon eine widerliche Zeit - so eine Schwangerschaft.«
Ich lächelte ihr zu. »Du bist nicht die einzige, die daran schuld ist. Ich hatte auch etwas damit zu tun.«
Ihre Augen ließen mich nicht los. »Ich komme mir so töricht vor - und so unbrauchbar. Wie ein Klotz. Besonders jetzt.«
»Sei nicht so dumm!«
»Ich bin nicht dumm«, sagte sie. »Du wolltest doch dieses Kind nicht haben. Ich wollte es!«
»Jetzt bist du doch dumm.«
»Du hast eine Tochter, und das genügte dir. Aber ich wollte dir auch ein Kind schenken. Ich war eifersüchtig auf sie, glaube ich. Ich mußte dir beweisen, daß ich doch wenigstens in einer Beziehung geradeso gut bin wie Nora.«
Ich ging um den Tisch und setzte mich neben sie. Sie sah mich unverwandt an. Ich nahm ihr Gesicht in meine Hände. »Du brauchst mir nichts zu beweisen, Elizabeth. Ich liebe dich.«
Plötzlich standen ihre Augen voller Tränen. »Ich sah den Ausdruck in deinem Gesicht, wenn du von Danielle sprachst. Sie fehlte dir. Ich dachte, wenn wir ein Baby haben, wirst du sie weniger vermissen.« Sie nahm meine Hand und führte sie über ihren runden, harten Bauch. »Du wirst unser Baby lieben, nicht wahr, Luke? Nicht weniger lieben als Danielle - ja, Luke?« Ich beugte mich hinunter und legte die Wange an das Leben in ihr. »Du weißt, daß ich es lieben werde«, sagte ich. »Ich liebe sie jetzt schon.«
»Sie wird vielleicht ein Junge sein.«
»Das ist doch gleichgültig«, flüsterte ich. »Ich liebe euch beide.«
Ihre Hände zogen meinen Kopf an ihre Brust und drückten ihn fest dagegen. »Du mußt hin zu ihr«, sagte sie.
Ich entzog mich ihren Armen. »Bist du verrückt? Wenn du in zwei Wochen in die Klinik mußt?«
»Ich komme schon zurecht«, entgegnete sie ruhig.
»Und was wird das kosten? Hast du vergessen, daß ich heute früh meinen Job verloren habe?«
»Wir haben beinahe vierhundert auf der Bank. Und du hast deinen Lohnscheck für die letzte Woche noch in der Tasche.«
»Hundertsechzig.! Die brauchen wir zum Leben. Es kann Wochen dauern, bis ich eine neue Stellung finde.«
»Es sind mit der Düsenmaschine knapp drei Stunden von Chicago nach San Francisco. Und mit dem Rückflug kostet es nicht ganz hundertfünfzig
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