Wohin die Liebe führt
war ein seltsamer Triumph. Derselbe Triumph, den ich in diesen Augen gesehen hatte, wenn sie eine bildhauerische Arbeit beendet hatte, die ihr besonders schwergefallen war. Etwas, dem sie nur mit großer Mühe hatte Gestalt geben können. Plötzlich begriff ich, was Danielle ihr bedeutete. Nicht ein Kind, sondern etwas, das sie selbst geschaffen hatte.
Sie stellte Danielle auf die Füße. Hand in Hand gingen sie zur Tür. Als Nora sie aufmachte, schaute Danielle zu mir zurück. »Du kommst doch mit heim, Daddy?« fragte sie.
Ich schüttelte den Kopf. Wieder kamen mir die Tränen in die Augen, sie blendeten mich, aber ich brachte es fertig zu sagen: »Nein, Liebling. Daddy muß noch hierbleiben und mit dem netten Herrn sprechen. Wir sehen uns später!«
»Okay... Bye-bye, Daddy!«
Die Tür schloß sich hinter ihnen. Ich blieb nur, bis ich die notwendigen Papiere unterschrieben hatte. Dann nahm ich den Zug nach La Jolla, ging an Bord meines Bootes und betrank mich.
Es dauerte eine Woche, bis ich nüchtern genug war, einen Charter anzunehmen.
Ich bezahlte meinen Flugschein und gab mein Gepäck ab. Dann gingen wir in die Cocktail-Lounge. Trotz der ausgefallenen Stunde war sie sehr belebt. Wir bekamen einen kleinen Tisch, und ich bestellte uns zwei Manhattans.
Ich kostete meinen Drink. Er war gut. Kalt und nicht zu süß. Ich schaute hinüber zu Elizabeth. Sie sah jetzt müde aus.
»Fühlst du dich einigermaßen?« fragte ich. »Ich hätte dich doch nicht den ganzen langen Weg mitfahren lassen sollen.«
Sie hob das Glas und nahm einen Schluck. »Ich bin okay.« Ihr Gesicht bekam wieder etwas Farbe. »Vielleicht bin ich ein bißchen nervös, aber weiter nichts.«
»Du brauchst nicht nervös zu sein, wirklich nicht.«
»Ach, doch nicht wegen des Flugzeugs. Nur deinetwegen, Luke.«
Ich lachte. »Es wird schon glattgehen.«
Sie lächelte nicht. »Du wirst sie wiedersehen müssen.«
Nun wußte ich, was sie meinte. Nora besaß die Gabe, mich zur Verzweiflung zu treiben, und es dauerte stets eine Weile, bis ich mich wieder einigermaßen in der Hand hatte. In einem solchen Zustand war ich gewesen, als wir uns vor sechs Jahren kennenlernten, Elizabeth und ich. Damals lag meine Scheidung bereits fünf Jahre zurück.
Der Sommer neigte sich seinem Ende zu. Ich war von San Francisco zurückgekommen, wo ich Danielle - damals acht Jahre alt -nach einem unserer seltenen gemeinsamen Wochenenden bei ihrer Mutter abgeliefert hatte. Dani war ins Haus gelaufen, während ich draußen auf den Diener wartete, dem ich ihr Gepäck übergeben wollte. Nach der Scheidung hatte ich das Haus nie wieder betreten.
Die Tür ging auf, aber es war nicht der Diener. Es war Nora. Wir sahen uns ein paar Sekunden lang an. In ihren kühlen Augen lag keinerlei Ausdruck. »Ich möchte mit dir sprechen.«
»Worüber?«
Nora verschwendete nie Zeit. »Ich bin zu dem Entschluß gekommen, daß dich Dani nicht mehr da unten besuchen darf.«
Ich fühlte, wie mir heiß wurde. »Warum nicht?«
»Sie ist kein Kind mehr. Sie sieht alles.«
»Was heißt alles?«
»Nun, das Leben, das du auf deinem schmutzigen Boot führst. Die mexikanischen Weiber, die zu dir kommen, die Betrunkenheit, die wüsten Szenen. Ich möchte nicht, daß sie mit dieser Seite des Lebens in Berührung kommt.«
»Eine deiner Glanznummern: große Worte. Ich nehme an, die Art, wie du es treibst, ist besser? Mit reinen Bettlaken und Martinis?«
»Das mußt du ja beurteilen können. Es hat dir doch wohl recht gut gefallen.«
Was für verrückte Gedanken einem in den Kopf kommen. Die Faszination des Bösen - obwohl man weiß, daß es böse ist. Sie kannte mich genau. Sie wußte, wovon ich sprach. Ich kämpfte meine Erinnerungen nieder.
»Ich werde es mit meinem Anwalt besprechen«, sagte ich.
»Mach dich nicht lächerlich! Als ob du einen Anwalt findest, der etwas mit dir bespricht. Du bist bankrott und schmutzig, und wenn du zum Kadi gehst - ich habe die Auskünfte eines Privatdetektivs über das Leben, das du führst. Du wirst bei Gericht nicht weit kommen.« Sie machte kehrt und schlug mir die Tür vor der Nase zu. Erstarrt blieb ich einen Augenblick stehen, dann ging ich die Stufen des Patios hinunter zu meiner alten Karre. Erst spät am nächsten Abend kam ich nach Hause und brachte mir noch eine halbe Kiste Whisky mit an Bord.
Zwei Tage später klopfte es an meiner Kabinentür. Mühselig raffte ich mich von meiner Koje auf und stolperte zur Tür. Ich riß sie auf ein paar
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