Wolf unter Wölfen
dieses aber, verwirrte es sich in ihrem Hirn, will ich hingeben und dich anbeten, wenn du mir unser Zimmer wiederschenkst und das Warten auf ihn in ihm …
Langsam wurde es schwarz. Alles löschte aus, die Welt wurde undeutlich. Die Schwärzefetzen flogen darüber hin, verdeckten sie … Einen Augenblick meinte sie noch die Gardinen des Zimmers zu sehen, gelblichgrau, schlaff und reglos in der ungeheuren Schwüle hängend – dann verlöschte auch das zu Nacht.
Aber auch die Nacht barg keine Ruhe für sie, nun leuchtete es rot in ihr auf, mit einem glühenden, bösen Rot … ach, der Hund von drüben war aufgestanden. Größer und größerwerdend, kam er über die Straße auf sie zu. Sein gähnender Rachen mit den spitzen, scharfen Eckzähnen war schon über ihrem Kopf. Böse rot die Augen, böse rot die drohenden Fänge, und nun legte er mit ungeheurem Gewicht seine Pfote auf ihre Schulter, sie schreit vor Angst, aber kein Ton drang bis an ihr Ohr. Sie sinkt hin …
Der Diener Ernst, die Hand auf ihrer Schulter, sagt mahnend: »Fräulein, bitte! Fräulein!!«
Von weit her sah ihn Petra kommen und fragte doch gleich, als habe die Frage seit seinem Fortgehen dringend in ihr gewartet: »Was haben die gesagt?«
Der Diener bewegte zweifelnd die Schultern. Dann: »Wo ist der junge Herr hin?« Er sieht sie zögern, er sagt beruhigend: »Vor mir brauchen Sie sich nicht zu genieren, ich bin bloß der Diener von seiner Tante. Ich erzähl schon nichts, was ich nicht will.«
Und sie, da er doch Schlimmeres nicht erfahren kann, als er oben schon gehört haben wird: »Fort. Geld besorgen.«
»Und ist nicht wiedergekommen?«
»Nein. Noch nicht. Ich warte.«
Sie standen beide eine Weile schweigend da, sie geduldig wartend, was das Schicksal und vielleicht dieser Mann für sie bereithielt, er unschlüssig, ob er so einfach fortgehen könne, seiner Herrin zu berichten. Unschwer war zu erraten, was Frau Generalmajor von Anklam über dieses Mädchen dachte, was sie zu tätiger Hilfe sagen würde. Immerhin …
Der Diener Ernst trat langsam aus dem Torweg auf die Straße, sah unschlüssig auf und ab, der Erwartete war nicht zu sehen … Einen Augenblick hatte er den Gedanken, einfach fortzugehen. Er glaubte genau zu wissen, daß dieses Mädchen ihn mit keinem Wort daran hindern würde. Es war die einfachste Lösung, jede andere konnte ihm Schwierigkeiten bei Exzellenz machen. Oder aber ihn Geld kosten – und je wertloser das vom Diener Ernst in einem Menschenalter ersparte kleine Kapital wurde, um so fester hing er an diesen Scheinen mit den unsinnigen Zahlen. Zu Haus in seinerkleinen Kammer füllte er eine blecherne Teepackung nach der andern mit ihnen …
Trotzdem …
Er sah noch einmal die Straße auf und ab: nichts. Zögernd, ein wenig unwillig über sein eigenes Tun, ging er in den Torweg zurück und fragte ebenso widerwillig: »Und wenn der junge Herr nun kein Geld bringt?«
Sie sah ihn nur an, mit einer leichten Bewegung des Kopfes – schon die vage Aussicht in diesen Worten, Wolfgang könne doch noch kommen, wenn auch ohne Geld, belebte sie.
»Und wenn er gar nicht wiederkommt, was tun Sie dann!«
Ihr Kopf sank ein wenig nach vorn, die Lider schlossen sich – ohne daß ein Wort laut wurde, war klar genug, wie gleichgültig ihr dann alles war.
»Fräulein«, sagte er zögernd, »ein Diener verdient nicht viel. Und dann habe ich ja auch all mein Erspartes verloren, aber wenn Sie dies nehmen wollen …«
Er versucht, ihr einen Schein in die Hand zu schieben. Er hat ihn aus der abgegriffenen, dünnen Brieftasche gewählt: »Fünfzigtausend.« Und da sie ihre Hand zurückzieht, dringender: »Nein, nein, Sie können das ruhig nehmen. Es ist ja nur das Fahrgeld, damit Sie auch nach Haus kommen.« Er stutzt, überlegt. »Sie können doch hier nicht so weiterstehen! Sicher haben Sie irgend jemand Verwandtes, zu dem Sie erst einmal fahren können.«
Wieder bricht er ab. Ihm ist eingefallen, daß sie in diesem Aufzug, die Beine bis über die Knie nackt, nur in vertretenen Hausschuhen, mit einem jämmerlichen Herrenpaletot, der zuviel Brust sehen läßt, unmöglich auf eine Elektrische steigen kann.
Er steht da, betreten, verlegen, fast schon ärgerlich. Er möchte ja helfen, aber Herrgott! – wie hilft man denn da? Er kann sie doch nicht mit sich nehmen, einkleiden – und schließlich: was dann?!
»O Gott, Fräulein!« sagt er plötzlich traurig. »Wie hat es nur der junge Herr so weit kommen lassen
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