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Wolf unter Wölfen

Wolf unter Wölfen

Titel: Wolf unter Wölfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Fallada
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der brave, wohlerzogene Diener Ernst, ergraut im Umgang mit den ersten Kreisen, wirklich einmal für sie Stellung nimmt und gegen den jungen Herrn, dieses Mal spürt sie so recht, wie weit Menschen voneinander leben. Der junge Herr hätte sie schlecht behandeln dürfen, er hätte sie betrügen dürfen, er hätte sie sitzenlassen dürfen – das alles hätte den guten Diener Ernst (und seine meisten Mitmenschen) nicht gar so sehr empört. Aber daß er ihr nichts zu essen gab –! Nein, so etwas tat man nun wirklich nicht!!
    Er betrachtet sie mit gerunzelter Stirn, sie kann ihm ansehen, vor wie großen Entschlüssen er steht, da macht sie es ihm leicht. »Wenn Sie mir bloß ein paar Schrippen holen wollten!« sagt sie. »Hier gleich um die Ecke ist ein Bäckerladen. Und dann brauchen Sie sich keine Sorgen mehr um mich zu machen. Sobald ich ein bißchen gegessen habe, komme ich schon zurecht. Ich habe einen Plan …«
    »Natürlich hole ich Schrippen«, sagt er eifrig. »Und vielleicht sonst noch etwas, etwas zu trinken, Milch, ja?«
    Er hastet davon, er geht in drei, vier Läden: Butter, Brot, Semmeln, Wurst, ein paar Tomaten … Er denkt nicht mehr an sein Geld, die Ersparnisse … Die Tatsache, daß ein Mensch Hunger hat, aber nichts zu essen, hat ihn ganz verwirrt. So etwas hätte der junge Herr nicht tun dürfen, denkt er immer wieder. Sie mag sein, wie sie will, aber hungern lassen – nein!
    Er ist gelaufen, hat sich und die schläfrigen Ladeninhaber gehetzt, alles mußte eilig gehen, schnell. Am liebsten hätte er gesagt: Bitte, es ist nämlich für einen Menschen, der verhungert … – Aber nun, da er zurückkommt, steht er nochverwirrter: sie ist nicht da. Nicht im Torweg, auf der Straße nicht, auch nicht auf dem Hof. Sie ist fort!
    Zögernd entschließt er sich, noch einmal zu der Thumann hinaufzusteigen, sicher nicht sehr gerne, denn diese hemmungslos Geschwätzige hatte für ihn eine gar zu fatale Ähnlichkeit mit Ihrer Exzellenz, Frau Generalmajor Bettina von Anklam. Aber er bekam nur die Ida zu sehen, halb schon gewerblich, halb noch häuslich bekleidet, was ihn ziemlich erschreckte. Und diese junge Dame erkundigte sich sehr ungnädig bei ihm, ob es wohl piepe in seinem Hirnkasten, denn: »Det Aas kommt mir nich wieder rin! Wenn die bloß schellt, hat se schon ’ne Schelle! Nee, wat sich solche Leute alles einbilden –!«
    Diener Ernst steigt wieder treppab, geht wieder über die Höfe, kommt wieder in den Torgang.
    Im Schatten des Torflügels steht niemand. Kopfschüttelnd geht er auf die Straße: nichts. Diese Tüten und Päckchen mit Lebensmitteln, diese Flasche voll Milch, das kann er doch nicht mit zu seiner Herrschaft nehmen. Fräulein sähe es sicher, und sicher erzählte Fräulein es Ihrer Exzellenz.
    Er kehrt wieder um, baut seine Besorgungen im tiefsten, dunkelsten Winkel hinter dem Torflügel auf und geht endgültig ab, nicht ohne sich noch häufig umzusehen. Erst als er in der Untergrund sitzt, denkt er nicht mehr zurück, kann er wieder vorausdenken.
    Was sage ich bloß Exzellenz –?!
    Nach sorgfältiger Überlegung beschließt er, möglichst wenig zu sagen.

FÜNFTES KAPITEL
Das Gewitter bricht los

1
    Der Oberwachtmeister der Schutzpolizei Leo Gubalke war erst gegen drei Uhr aus seinem Schrebergarten dicht beim Betriebsbahnhof Rummelsburg in die Wohnung Georgenkirchstraße zurückgekommen. Er hatte ausreichend Zeit, sich gründlich zu waschen und sich umzuziehen für den Dienst. Aber er hatte keine Zeit mehr, noch ein Schläfchen zu tun, wie er eigentlich gewollt hatte. Denn sein recht anstrengender Dienst ging von vier Uhr nachmittags bis morgens zwei Uhr, und es war immer gut, wenn man sich vorher ein wenig auf das Ohr legte. Es kam dem Dienst und vor allem den Nerven im Dienst zugute.
    Oberwachtmeister Leo Gubalke ist ganz allein in seiner Zweizimmerwohnung. Die Frau ist schon seit dem Morgen im Schrebergarten (Kolonie Nordpol), die beiden Gören sind von der Schule direkt dorthin gefahren. Der Polizist hat sich die große Zinkwanne, die von seiner Frau sonst für die Wäsche benutzt wird, in die Küche geholt und schrubbt sich langsam und sorgfältig von oben her ab.
    Es ist ein alter Streit zwischen ihm und seiner Frau, wie man sich am besten ganz wäscht. Er tut es von oben her: Kopf, Hals, Schultern, Brust und so weiter, bis er unten bei den Füßen ist. Das ist wirklich ordentlich und sauber, denn nichts bereits Gesäubertes wird durch das Waschen des nächsten Körperteils

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