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Wolkengaukler

Wolkengaukler

Titel: Wolkengaukler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anett Leunig
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durch das Drehen an einigen Schrauben und Kurbeln herausfand. Seltsames Ding. Auf einem Regal darüber standen diverse Zeichengegenstände: unzählige Bleistifte, fein säuberlich in Dosen nach Minenstärke sortiert. Auch andere Zeicheninstrumente, Buntstifte, Lineale und Dreiecke fanden sich da, alles ordentlich aufgeräumt und jederzeit griffbereit. Himmel, wenn ich dagegen an das Chaos in meinem Zimmer dachte! Manchmal war ich schon froh, zwei passende Socken zu finden. Spontanen Besuch konnte ich mir jedenfalls nicht erlauben.
    Die restlichen Wandflächen füllten Regale voller Bücher – Fachbücher über Architektur, Zeichnen, Kunstgeschichte, Statik. Kunstgeschichte fand ich recht interessant, Statik weniger. Trotzdem faszinierten mich die Bücher, weil sie voller Anmerkungen, Notizen und Markierungen waren, die Christoph verfasst hatte. Er hatte eine saubere, klare Handschrift, formulierte selbst seine Randnotizen sehr präzise, sodass auch ein Außenstehender wie ich ungefähr verstehen konnte, worum es ging. Es waren eine ganze Menge Notizen in den Büchern, ergänzende, verweisende, fragende und viele kritische, besonders in dem Buch über Kunstgeschichte. Er schien sich also sehr gewissenhaft mit seinem Studium zu beschäftigen, darin regelrecht aufzugehen. Vielleicht würden wir im Laufe der nächsten Tage einmal darüber sprechen können. Ich stellte die Bücher zurück und sah mich weiter um.
    Wo kein Bücherregal hing, waren die Wände mit Zeichnungen dekoriert. Keine gewöhnlichen Zeichnungen von Blumen oder Stillleben, sondern Bleistiftskizzen von Gebäuden aus der Vogelperspektive und Frontalansichten, Innenansichten von Räumen, ein Querschnitt durch ein Haus. Interessant, dass man mit wenigen dünnen Linien komplette Gebäude kreieren konnte! Eine Skizze deutete sogar eine ganze Häuserzeile an. Mein Blick wanderte aufmerksam von einer Zeichnung zur anderen. Manche davon waren mit Tusche nachgezeichnet, die einzelnen Flächen schraffiert oder farblich schattiert, wohl um sie von einander abzuheben und mehr Tiefe ins Bild zu bringen. Hatte Christoph das alles gezeichnet? Mein Cousin beeindruckte mich immer mehr.
    Am meisten faszinierte mich das kleine Modell, das da in der Glasvitrine neben dem Fenster stand. Wenn man das Rollo hochzog, würde das Licht direkt darauf fallen: auf ein kleines Reihenhaus, die Nachbarhäuser rechts und links nur angedeutet. Es war offenbar aus Styropor und Pappe gefertigt, mit Bäumen aus Holzperlen darum herum und kleinen Fenstern, durch die man hineinschauen konnte. Man konnte sogar das Dach abnehmen und das Obergeschoss direkt ansehen. Drinnen war das Haus komplett eingerichtet mit Minimöbeln, Kamin, Treppe und WC. Es war das Haus, in dem ich mich befand, im Miniaturformat, bis ins Kleinste detailgetreu nachgebildet. Unglaublich!
    Ich war so in meine Betrachtungen versunken, dass ich erschrocken zusammenzuckte, als ich Tante Melanies Stimme von unten rufen hörte: „Jann? In einer halben Stunde gibt es Abendbrot, ja?“
    Das war gut, ich bekam nämlich langsam, aber sicher Hunger. Aber vorher wollte ich duschen. Ob ich einfach Christophs Bad benutzen konnte? Er war nicht da, um zu fragen. Aber warum auch nicht!
    Ich kramte meinen Kulturbeutel hervor und tapste mit nackten Füßen ins Bad. Dort baute ich erst einmal meine Sachen auf der kleinen Ablage unter dem Spiegel auf: Zahnputzzeug, Haarbürste, Deo, Rasierer – nein, den besser nicht, das war mir zu peinlich. Ich hatte mich noch nicht daran gewöhnt, dass in meinem Gesicht nun ständig Haare wuchsen, wo vorher alles glatt und geschmeidig gewesen war. Mittlerweile musste ich mich jeden zweiten Morgen rasieren, um mir wenigstens noch den Anschein einer weichen Jungenhaut zu bewahren. Wahrscheinlich würde Christoph sich über mich lustig machen, wenn er das mitbekam. Sein Rasierapparat hing sauber und ganz selbstverständlich neben der Ablage in der Halterung.
    Auf einem Sideboard lagen unter einem Schild „Gäste“ frische Hand- und Badetücher bereit. Ich zog mich aus, wobei ich meine Klamotten wie immer quer im Bad verteilte. Im Gegensatz zu meinen Eltern hatte ich es nicht so mit der Ordnung. Dann stieg ich in die Duschkabine, stellte den Brausekopf auf eine angenehme Höhe ein und ließ das Wasser laufen. Eigentlich sollte man bei dieser Hitze mit Wasser ja sparsam umgehen, aber heute hatte ich mir eine ausgiebige Dusche einfach verdient.
    Ich schloss die Augen und ließ das Wasser an meinem Körper

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