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dass sie nicht den richtigen Schwung, nicht den Ehrgeiz an den Tag legte, den man von einer Amerikanerin, die was auf sich hielt, erwarten durfte. Aber die Frage zielte eigentlich gar nicht so direkt auf sie, und das spürte sie auch.
„Bist du denn nicht glücklich?“ fragte sie mich, und wenn’s tatsächlich die Göttin gab, dann schien sie mich jetzt voll unendlichem Mitgefühl durch Cassies Augen zu mustern.
Ich merkte, dass mir zu meiner Überraschung Tränen aufstiegen, worauf ich meine Lippen, die plötzlich zu beben begannen, fest zusammenpresste.
„Ach herrje, Mäuschen“, sagte Cassie, während der Soundtrack zu
Akte X
im Hintergrund losdudelte. „Wird schon wieder. Du setzt dich einfach zu sehr unter Druck. Das ist es!“
„Aber …“, schluchzte ich los, als das heulende Elend schwarz und aus tiefster Finsternis in mir hochkroch und mir das Eis in der Hand nur ein kalter, leerer Trost war. „Aber es gibt doch noch so vieles, das ich …“
„So vieles, das du mittlerweile eigentlich haben wolltest? Ehemann, Kinder, Allradkombi, Golden Retriever? Haus draußen in den Hügeln?“
„Keinen Allradkombi, ‘nen Volvo!“
„Mensch, Hannah, dich durchschaut man auf Anhieb“, sagte Cassie, wobei ihr leicht sardonischer Ton etwas Tröstliches ausstrahlte. „Jeder meint, er müsse sich so was wünschen, aber ich glaube, du willst diese Dinge gar nicht. Jedenfalls nicht wirklich.“
„Doch! Besonders ‘nen Mann!“
„Wenn du so weit wärst, hättest du längst einen. Vielleicht machst du augenblicklich genau das, was du machen sollst.“
Ich senkte den Blick auf mein „Chunky Monkey“-Eis. „Meinst du wirklich?“
„Deine Näherei, die liegt dir vornehmlich am Herzen. Deswegen bist du ja zuallererst überhaupt hier rauf nach Portland gezogen. Darauf solltest du dich konzentrieren und den Rest dem Universum überlassen. Das wird es zu gegebener Zeit schon erledigen.“
Hätte ich mich bloß wie sie darauf verlassen können, dass sich alles schließlich zum Guten wendete! Dieses Gottvertrauen schien ihr so leicht, so natürlich zu erwachsen. Dass Cassie sich mal über irgendetwas Sorgen machte, das sah man nie. „Könnte ich nicht ein bisschen von dem Rest sofort kriegen? Einen Freund beispielsweise?“ fragte ich.
„Der wird kommen, wenn du bereit bist.“ Sie lächelte. „Und bis dahin hast du ja David Duchovny.“
Ich starrte auf die Mattscheibe, wo sich gerade Mulder und Scully in einer Wiederholung kabbelten, und zog schniefend die Überbleibsel meines triefenden Selbstmitleids hoch. „Auf den kann ich verzichten.“
„Wieso? Ich nähme ihn sofort.“
„Der lächelt ja nie!“ klagte ich.
„So ‘n Typ soll ja auch nicht grinsen, wenn er sich deine Beine über die Schultern faltet! Aber unheimlich ist es schon!“ Sie schüttelte sich, worauf ich auflachte und froh war über den Themen- und Stimmungswechsel.
„Wenn man sich vorstellt, wie die sonst immer gucken, kann das auch nicht viel schlimmer sein.“ Ich drückte die Augen fest zu, stöhnte, als hätte ich starke Schmerzen, und keuchte gepresst. „Ich komme! Ich komme! Gleich, gleich … kann ich kommen? Soll ich jetzt?“
„So was fragen die dich?“
„Jedenfalls einer von meinen Ehemaligen.“
„Hast du’s ihm denn erlaubt?“ fragte Cassie.
„Kam drauf an, wie lange er schon zugange war. Von einem bestimmten Zeitpunkt an lag mir nur noch daran, dass er’s endlich hinter sich brachte. Da kriegte ich nämlich schon Bammel vor ‘ner Harnleiterentzündung.“
Cassie verzog schmerzlich das Gesicht, und ich wusste, unser beider Gedanken galten dem bislang ungeöffneten Preiselbeersaft, den wir für Notzeiten im Schrank horteten.
„Hat womöglich sein Gutes, deine Sex-Chakra-Blockade“, meinte Cassie.
„Da könntest du Recht haben.“
2. KAPITEL
B AHNENRÖCKE MIT B ILDER-SAUM
A m Dienstagabend kauerte ich bis an die Knie in Kleidern für Brautjungfern, während meine Nähmaschine hurtig die Nähte rauf- und runterratterte. Als selbstständige Näherin und Schneiderin fertige ich auf Bestellung und betreibe meinen eigenen Abhol- und Liefer-Service.
Ein halbes Jahr zuvor hatte ich noch in Eugene gewohnt und dort in einer Änderungsschneiderei gearbeitet. Mit meinem Magister-Abschluss in Geschichte konnte ich wahrscheinlich ebenso wenig anfangen wie Cassie mit ihren Soziologie-Seminaren, doch das war mir schnuppe, denn ich hatte festgestellt, dass mich in historischer Hinsicht lediglich die
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