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Die Entführung in der Mondscheingasse

Die Entführung in der Mondscheingasse

Titel: Die Entführung in der Mondscheingasse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
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1. Das Ende
der Rauschgift-Bande
     
    Nach seiner Ansprache schüttelte
Bürgermeister Spendenfreund allen die Hand: Zuerst Gaby, die zwei
Lebensretter-Urkunden entgegennahm — die zweite stellvertretend für ihren
Vater, der dienstlich verhindert war.
    Tarzan, Karl und Klößchen bemühten sich
um feierliche Mienen. Einfach war das nicht. Spendenfreund lispelte nämlich,
weshalb seine Ansprache unter Zischlauten litt. Aber seine Worte hatten — inhaltlich
— enormes Gewicht Die TKKG-Bande fühlte sich wie ein vierköpfiger Held.
    „Ich kenne den amtlichen Bericht und
das, was in der Presse stand“, sagte Spendenfreund. „Nun würde ich gern wissen,
wie sich das aus eurer Sicht abgespielt hat — damals bei Eis, Schnee und
grimmiger Kälte.“
    Er blickte erwartungsvoll, als sähe er
gleich den spannendsten Videofilm.
    „Tja“, tat ihm Tarzan den Gefallen, „gefährlich
wurde es nur, weil das Eis noch so dünn war. Der Berlitzer See ließ sich auch
dieses Jahr wieder Zeit mit dem Zufrieren. Wir vier und Kommissar Glockner
spazierten am Nordufer, als es krachte. Hörte sich fast wie ein Schuß an, war
aber keiner. Das Eis brach mit mächtigem Getöse. Dann schrie Otto Zinke-Schollau
um Hilfe. Wir rannten durch die Büsche und sahen, wie er um sein Leben kämpfte.
Bis zum Hals steckte er im Wasser. Die Eiskante, an der er sich festhalten
wollte, bröckelte Stück um Stück ab...“
    „Wie Knäckebrot“, ergänzte Klößchen.
    Spendenfreund lächelte. Und die
Sonnenstrahlen, die durch das Fenster seines Bürgermeisterzimmers fielen, kamen
in freundlicher Absicht.
    „Jeder von uns erkannte glasklar“, fuhr
Tarzan fort, „daß der Junge sich in Lebensgefahr befand.“
    „Sozusagen in doppelter“, steuerte
Klößchen bei: „Er konnte ertrinken, aber auch im kalten Wasser erfrieren — je
nach Lust und Laune. Äh... ich meine, ihm mußte geholfen werden.“
    „Was ihr ja tatet“, sagte
Spendenfreund. „Aber das Eis trug euch nicht.“
    „Deshalb näherten wir uns bäuchlings“,
erklärte Tarzan. „Liegend verteilt sich das Gewicht. So würde es gehen, hofften
wir. Ich robbte voran, Karl krauchte hinter mir und hielt meine Füße fest.
Willi sicherte Karl mit dem gleichen Griff, lachte aber dauernd, weil er an den
Fußknöcheln kitzlig ist, wo er von Gaby gehalten wurde. Kommissar Glockner, der
Schwerste von uns, mußte zwangsläufig hinten bleiben — am Schluß der Schlange.
Ich konnte Ottos Hände fassen. Rausziehen konnte ich ihn nicht. Denn das Eis
brach - ja, tatsächlich wie Knäckebrot. Ich hing halb im Wasser. Otto tauchte
tiefer, schrie, spuckte — und war schon ganz blau vor Kälte: blaue Lippen,
blaue Nase, blaue Augen und so. Ohne Kommissar Glockner wäre ich ganz baden
gegangen — und Karl halb, mindestens. Aber Gabys Vater zog die gesamte Schlange
bäuchlings ans Ufer, wo Otto dann endlich mit seinem Gebrüll aufhörte. Schreck
und Kälte saßen ihm tief in den Knochen. Und er ist ja erst sieben.“
    „Ohne euch wäre er ertrunken“, sagte
Spendenfreund. „Denn sonst war niemand in der Nähe.“ Gleichmäßig verteilte er
ein Schmunzeln über sein Bürgermeister-Gesicht. „Das Beste für euch habe ich
mir aufgehoben. Wie ihr wißt, war Otto Zinke-Schollau nur zu Besuch in unserer
Stadt. Er stammt aus Österreich, aus dem schönen Tirol, wo sein Vater ein Hotel
besitzt, den Tyroler Hof — mit Ypsilon. Im Namen von Herrn Xaver Zinke-Schollau
soll ich euch nun herzlichst einladen — euch und Herrn Glockner. Herr
Zinke-Schollau würde sich riesig freuen, wenn ihr am nächsten Wochenende seine
Gäste wärt. Er möchte die Lebensretter seines Sohnes verwöhnen.“

    Die vier Freunde sahen sich an. Freude
leuchtete aus allen Pupillen.
    „Uns verwöhnen“, rief Klößchen. „Das
ist die richtige Einstellung. Sind doch die österreichischen Süßspeisen auf Schokoladen-Grundlage
weltberühmt — wie Sacher-Torte und Mozart-Kugeln. Ich schmecke dieses
Wochenende schon. Es wird bestimmt nach meiner Zunge.“
    Spendenfreund lächelte und gestattete
sich einen kleinlauten Seufzer. Es war offensichtlich: Er wäre gern mitgefahren
— zum Verwöhnen, mußte aber am Wochenende seinen Garten vertikutieren (den
Rasen auflockern) oder für die Partei, der er angehörte, Spenden
einsammeln. Man sah ihm an, wie die Bürde der Pflichten auf sein Rückgrat
drückte. Eines Tages würden die Bandscheiben rausspringen.
    Jetzt knipste er sein
Dienststunden-Lächeln an und übergab Gaby, die er wohl am

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