Xeelee 5: Vakuum-Diagramme
Klimax nähert sich‹, sprach der Senken-Botschafter.
Ich spürte Erregung in den komplexen Mustern, die über seine Oberfläche wanderten.
›Sag mir, wie man aus Dunkelmaterie einen Stern macht.‹
›Jack Raoul, es gibt Mittel und Wege, kompakte soliton-artige Gleichgewichtszustände bosonischer Felder mit selbsterzeugender Gravitation zu erschaffen. Hier haben wir eine Oszillations-Lösung, ein so genanntes Oszillaton gewählt, das…‹
›Teufel‹, sagte ich. ›Ich wünschte, Eve wäre hier.‹
›Deine Frau.‹
›Die echte Eve. Sie wäre als Einzige imstande gewesen, mir all das zu erklären.‹
Der Geist sagte nichts.
›Sprich mit mir.‹
Der Botschafter wählte einen anderen Ansatz, doch waren auch diese Ausführungen mit technischen Termini gespickt. Die internen Speicher lieferten erste Interpretationen, wobei sie die Aussagen des Geists in menschliche Modelle zu überführen versuchten.
Allmählich begriff ich, was die Geister vorhatten.
Aus Dunkelmaterie entstehen keine Sterne, weil sie sich nicht schnell genug abkühlt.
Wenn eine Konzentration aus baryonischem Gas – normale Materie – unter der Schwerkraft kollabiert, wird der größte Teil der erzeugten Wärme von elektromagnetischer Strahlung abgeführt. Die Gaswolke wird von der Strahlung gleichsam gekühlt. Die in der Wolke verbliebene Restwärme gleicht die gravitative Anziehung schließlich aus, und ein Gleichgewicht stellt sich ein: Ein Stern ist entstanden, ein kompakter stabiler Körper, dessen innerer Strahlungs-Druck der Tendenz entgegenwirkt, durch die Gravitation zu kollabieren.
Dunkle Materie indes produziert keine elektromagnetische Strahlung. Ohne den Kühlungseffekt der Strahlung speichert eine Dunkelmaterie-Wolke viel mehr Kontraktions-Energie. Deshalb manifestiert das Gleichgewicht von Dunkelmaterie sich in Form großer diffuser Wolken.
›Aber ihr habt einen Weg gefunden, das zu umgehen‹, mutmaßte ich.
Der Senken-Botschafter drehte sich selbstgefällig. ›Wir werden eine Konzentration dunkler Materie auf eine andere Art und Weise abkühlen: Mit gravitativer Kühlung.‹
Ich stellte mir einen Schwarm Photinos vor, die sich gegenseitig umkreisten. Der Schwarm stieß die schnelleren Elemente ab, als ob winzige Raumschiffe in einen Orbit um Planeten geschleudert würden. Wegen der Äquivalenz von kinetischer Energie und Wärme würde die Massekonzentration sich abkühlen und verdichten.
›Der Mechanismus ähnelt dem, was ihr als die Lynden-Bell-Analyse der Jeans-Instabilität [viii] bezeichnet‹, sagte der Geist. ›Ein Sternhaufen nimmt durch berührungsfreie Entspannung einen kompakten stabilen Gleichgewichtszustand ein, indem die schnelleren Komponenten abgestoßen werden, die einen äußeren Halo bilden…‹
›Genug. Dann wollt ihr also mit gravitativer Kühlung an dieser Stelle einen Dunkelmaterie-Stern erschaffen.‹
›Die Quagma-Behälter werden in einer komplexen Abfolge in den Kern des Mondes eindringen, wo sie zum Zerfallen und Verschmelzen angeregt werden. Die in ihnen gespeicherte Superenergie wird in modulierten Pulsen freigesetzt. Die daraus resultierenden gravitationalen Wellenformen werden den Prozess initiieren. Zuerst wird eine Photinowolke mit der annähernden Masse eines Kleinplaneten entstehen. Etwa dreizehn Prozent der Wolkenmasse werden beim heftigen Entspannungsprozess abgestoßen. Der Soliton-Stern im Herzen des Monds wird nur ein paar Fuß durchmessen. Ein komplexes starkes Klein-Gordon-Skalarfeld wird entstehen, wobei keinerlei Selbst-Interaktion außer durch Gravitation stattfindet… ‹
Ich blendete ihn aus und trug alles in meine Notizbücher ein.
›Wieso ausgerechnet hier?‹
Der Geist drehte sich und dümpelte im Raum. ›Es gibt viel Dunkelmaterie hier im galaktischen Halo. Und nur wenige Xeelee.‹
›Und nur wenige Menschen, stimmt’s?‹
›Es würde mich interessieren, aus welcher Quelle du die Informationen über das Projekt bezogen hast…‹
›Das muss streng kontrolliert werden‹, sagte ich. ›Die entscheidenden Vorgänge dauern nur ein paar Mikrosekunden: Die komplexe Sequenz von Quagma-Kollisionen im Kern… Botschafter, ihr müsst ein riesiges KI-Steuergerät in diesen Mond eingebaut haben.‹
Der Geist sagte nichts dazu, und in mir keimte ein Verdacht. Doch ich musste mich um andere Dinge kümmern.
›Sag mir, weshalb ihr das tut, Senken-Botschafter. Ihr erschafft einen Soliton-Stern – und weiter? Was gewinnt ihr damit?‹
Er rollte, als ob
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