You are not alone - Mein Bruder Michael Jackson (German Edition)
Ventilator in das offene Fenster, der kühle Luft in den Raum blies. Michael hielt gern sein Gesicht davor, wenn das Gerät auf höchster Stufe lief, und summte vor sich hin, ganz fasziniert davon, wie der Luftstrom seine Stimme schwanken ließ.
Im Winter war allerdings kein Mangel an kalter Luft, die durch alle Ritzen unseres schlecht isolierten Hauses in die Zimmer pfiff. Die harten Winter in Indiana drangen durch die papierdünnen Wände, und der Schulweg fühlte sich manchmal wie eine Expedition zum Südpol an. Bevor wir vom Basislager aus in den tiefen Schnee hinaustraten, sorgte Joseph dafür, dass Mutter einen Topf Kartoffeln kochte. Handschuhe konnten wir uns nicht leisten, und Mützen trugen wir nicht wegen unserer dichten Afro-Locken, deswegen steckten wir uns eine heiße Kartoffel in jede Manteltasche, um die Hände warm zu halten. Mutter rieb unsere Gesichter mit Vaseline ein, die sie wie Sonnenmilch einmassierte, vom Haaransatz bis hinunter zum Kinn und von einem Ohr zum anderen. Daher trocknete unsere Haut auch in den schlimmen Kälteperioden nicht aus, und die Sache hatte für sie noch einen weiteren Vorteil: „Damit seht ihr richtig glänzend, frisch, neu und sauber aus.“ Sie tat so, als sei die fettige Vaselineschicht gerade richtig in Mode. Wir maulten hingegen, dass andere Kinder keine Vaseline im Gesicht hatten, aber darauf pflegte sie zu erwidern, dass andere Kinder eben auch nicht so sauber aussähen wie wir.
Mutter wünschte sich immer noch sehr, dass Joseph ihr endlich ein zusätzliches Zimmer anbauen würde, und solange sich immer noch die Steine in unserem Garten stapelten, verlor sie diesen Plan auch nicht aus den Augen. Wir waren nun, nach Randys Geburt, acht Kinder (Janet war noch nicht auf der Welt), aber wenn es einen Satz gab, der in unserem Haus immer wieder zu hören war – abgesehen von „Los, probiert es noch einmal“ –, dann Mutters Stoßseufzer: „Dieses Haus platzt aus allen Nähten.“ Sie hatte seit Titos Geburt ungefähr dreihundert Dollar angespart, und niemand traute sich vorzuschlagen, dass man dieses Geld gut für die geflickte Wasserleitung hätte verwenden können oder für einen neuen Fernseher: Es war Mutters wachsender Grundstock für ein weiteres Zimmer und daher unantastbar.
Bis Joseph zum Segen unserer Gruppe eine einsame Entscheidung fällte. Eines Tages kam er mit dem VW-Kleinbus, der inzwischen seinen alten Buick ersetzt hatte, die Auffahrt zu unserem Haus hochgefahren und fing an auszupacken: Mikrofone, Ständer, Verstärker, Tamburine, ein Keyboard, Schlagzeug und Lautsprecher. Es war wie das Weihnachten, das wir nie feiern durften. Mutter war sprachlos vor Wut. „Joseph!“, rief sie und rannte nach draußen, während er immer noch mehr Instrumente zutage förderte. „Was hast du getan? Was sind das für Sachen?“ Wir waren so aufgeregt, dass wir gar nicht wussten, welches „Spielzeug“ wir zuerst ausprobieren sollten. Mutter rannte hinter Joseph her, der die Sachen ins Wohnzimmer schleppte. „Ich glaube das nicht! Wir können unseren Kindern nicht einmal neue Kleider kaufen, Jackie hat Löcher in den Schuhen, dieses Haus platzt aus allen Nähten, und du ziehst los und kaufst Instrumente?“
Wie immer in unserer Familie hatte Joseph das letzte Wort. Er sagte, es sei eine notwendige Investition, um die Jungs zu unterstützen.
Noch nie zuvor hatte ich erlebt, dass sich unsere Eltern stritten, weil Mutter normalerweise immer sofort nachgab, aber dieses Mal war Joseph zu weit gegangen. Zum einen hatte er sie nicht gefragt, zum anderen war er an ihre geheiligten Ersparnisse gegangen. „Du kriegst dein Zimmer, Katie“, versuchte er sie zu beschwichtigen. „Wir werden nach Kalifornien ziehen, und dann kaufe ich dir ein größeres Haus, aber unsere Jungs können ohne Instrumente nun mal nicht auftreten!“ In den nächsten Tagen hörten wir nachts immer wieder laute Stimmen aus dem Schlafzimmer. Mutter machte sich Sorgen, dass er Luftschlösser baute und uns Hoffnungen machte, die sich nie erfüllen würden. Joseph hingegen hielt daran fest, dass er das Richtige getan hatte, und bat um ihre Unterstützung. Das war seine Art, seine Liebe zu uns auszudrücken – er glaubte an unser Talent. Während Mutter uns mit ihrer Zuneigung und Zärtlichkeit überschüttete, steuerte Joseph das bei, was sie nicht vermitteln konnte: Selbstvertrauen und Überzeugung. Es waren Gegensätze, die uns aber mit all dem versorgten, was man von seinen beiden Eltern
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