You are not alone - Mein Bruder Michael Jackson (German Edition)
hatte in der Mitte einen gelblichen, bronzefarbenen Ton, um dem Gesicht und der Haut der Schauspieler Farbe zu verleihen, und war unten grün wie Gras. Selbst, wenn es ums Fernsehen ging, mussten wir unsere Phantasie bemühen.
Michael nutzte es als Werkzeug, um sich alles einzuprägen. Wenn er sah, wie jemand eine bestimmte Tanzbewegung oder Schrittfolge machte, dann internalisierte er das, als hätte sein Hirn ein Signal an seinen Körper geschickt. Wenn er sich James Brown ansah, wurde er James Brown Junior. Von Anfang an bewegte er sich mit einer enormen Finesse und Geschmeidigkeit. Und es war ein Mann, der in einem Kinderkörper tanzte. Das war ihm einfach angeboren. Er kannte immer genau seinen Part, und er fragte niemals, auf welche Position er sich stellen sollte.
Sein Selbstvertrauen färbte auf uns ab. Joseph hatte seine alte Gitarre neu bespannt und ernannte mich zum Bassisten. Zwar hatte ich genau wie Tito nicht die geringste Ahnung, wie man Noten las, aber ich hörte mir die Songs an, spielte drauflos und fand heraus, wie es ging. Keiner von uns kannte sich mit der Theorie rund um Noten, Akkorde und den ganzen Kram aus. Ich könnte heute noch nichts vom Blatt spielen. Noten auf Papier, also geschriebene Instruktionen, übertragen keine Gefühle. Wenn man musikalisch ist, dann liegt es einem im Blut. Das sieht man ja an Stevie Wonder, der als blinder Musiker völlig ohne Noten auskommt und beweist, dass es beim Spiel nur ums Gefühl geht.
Michael und ich teilten uns zwar oft den Leadgesang und wechselten uns bei den Strophen ab, aber im Grunde war er der Frontmann unserer Gruppe, wenn er am Mikrofon stand. Wir stellten uns im Wohnzimmer so auf, wie wir uns auch auf einer Bühne präsentieren wollten. Ich stand, wenn man in Richtung Publikum blickte, ganz links am Bass, Michael rechts neben mir, dann folgten Jackie und Marlon, der etwa genauso groß wie Michael war, und schließlich Tito ganz rechts außen an der Gitarre. Tito und ich waren gewissermaßen wie Buchstützen, die unsere Gruppe zusammenhielten, und Jackie als der Größte dominierte in der Mitte, was optisch eine gewisse Symmetrie erzeugte.
Aber wir waren nicht die einzige Gruppe, die in dieser Zeit in Gary entstand. Auch in anderen Häusern versuchten die Menschen, ihre Träume zu leben, denn der Markt für Soul Music im nahegelegenen Chicago boomte. Es gab einige Barbershop-Quartette, die auch sehr stark mit Choreographie arbeiteten. Aber wir spürten von Anfang an, dass wir etwas Einzigartiges besaßen, und zwar nicht nur in Josephs Kopf. Dass wir Brüder waren, sorgte für einen ganz speziellen Gleichklang und eine Verbundenheit, die andere Gruppen nicht hatten. Diese Einheit war unser Trumpf, und ich glaube nicht, dass irgendeine andere Gruppe irgendwo in Amerika auf einen Coach zurückgreifen konnte, der auch nur annähernd so viel Leidenschaft und Entschlossenheit mitbrachte wie Joseph. Die Leute fragen immer nach dem Druck und der Belastung, die all das für uns bedeutet haben müsss, aber wir empfanden das nicht so. Wir hatten keine Angst vor dem Scheitern, weil Joseph uns dazu brachte, uns den Erfolg vorzustellen und an ihn zu glauben: einen Gedanken in Worte fassen, daran glauben, ihn umsetzen. Michael formulierte es in einem Interview mit dem Magazin Ebony 2007 einmal so: „Mein Vater war in einer Hinsicht ein Genie: Er brachte uns bei, wie man die Bühne beherrscht, das Publikum für sich gewinnt und instinktiv weiß, was man als Nächstes tun muss. Wir lernten auch, dass man die Zuschauer niemals spüren lässt, dass es einem nicht gut geht oder etwas nicht stimmt. Er war in dieser Hinsicht phänomenal.“
Eines Tages befahl Joseph, wir sollten uns ein Stück von der Wand entfernt aufstellen und die Hände ausstrecken. Wir taten wie geheißen, und unsere Finger waren einige Zentimeter von der Wand entfernt. „Ihr könnt sie berühren“, sagte Joseph.
„Wie das denn? Unsere Finger sind nicht lang genug … das ist unmöglich“, maulten wir.
„Seid fest davon überzeugt, dass ihr die Wand berühren könnt!“, wiederholte er.
Und hier bekamen wir eine weitere Lektion in mentaler Stärke: Der Geist ist stärker als der Körper. „Glaubt daran, dass ihr diese Wand berühren könnt“, sagte Joseph. „Wenn ihr glaubt, ihr seid am Ende eurer Reichweite, dann probiert es weiter. Stellt euch vor, wie ihr sie erreicht. Macht euch ein Bild davon, wie ihr die Wand anfasst.“ Michael stand auf Zehenspitzen und machte sich so
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