You are not alone - Mein Bruder Michael Jackson (German Edition)
weit hätte es nie kommen dürfen. Er erwarb neuen Landbesitz in Vegas und war fest entschlossen, ein neues Neverland zu errichten, unbeschmutzt von der schreckliche Polizei-Razzia. Er plante eine kurze Tour in der näheren Umgebung, damit Prince, Paris und „Blanket“ ihren Vater zum ersten Mal richtig auf der Bühne erleben konnten. Mein Bruder wusste auch, dass er durch die Einnahmen einer Tournee sein Leben wieder besser kontrollieren und endlich die belastenden Schulden begleichen konnte. Die Aussichten waren positiv, und körperlich war er wieder in Form. Sein Fokus lag auf der Zukunft.
Nach den „This Is It“-Konzerten hatte er sich mehrere Wochen freigehalten und freute sich auf Einzelkonzerte in China. Für 2011 nahm er sich vor, zur Saisonmitte beim Superbowl aufzutreten (letztendlich traten dort dann die Black Eyed Peas auf), um die legendäre Show von 1993 wiederaufleben zu lassen. Und dann, kurz vor dem Jahr 2014, sollten zwei Tourneen folgen, die niemand auf dem Zettel gehabt hätte – „Zurück wegen großer Nachfrage“ lautete der Arbeitstitel. Im Gegensatz zur allgemeinen Auffassung sollten die Comeback-Konzerte in London erst der Anfang sein und nicht das Ende. Ich weiß, dass Michael im März 2009 verkündete: „Wenn ich sage, dass es das gewesen ist, dann meine ich das auch … es soll der Abschluss sein.“ Das sollte ein großer Coup werden, denn mein Bruder war ein geschickter Geschäftsmann. Wenn die Fans glaubten, London sei die letzte Gelegenheit, ihn live zu sehen, würden sich die Karten in Windeseile kaufen – das simple Gesetz von Angebot und Nachfrage. Seine kommerzielle Scharfsinnigkeit wird häufig unterschätzt, denn er kannte die Zaubertricks, die Kraft des Mysteriösen und den Effekt großer Überraschungen.
Natürlich war das nicht alles Hype. Er machte sich Sorgen, dass die Karten sich möglicherweise nicht absetzen ließen, und so kann die Ankündigung einer Tournee auch als Testballon interpretiert werden, um die Stimmung in der Öffentlichkeit auszuloten. Michael hatte viel durchmachen müssen, wodurch sein Selbstvertrauen geschwunden war. Schaffte er überhaupt noch fünf ausverkaufte Konzerte hintereinander, von zehn Gigs ganz zu schweigen? Er suchte sich London und nicht die USA als Veranstaltungsort aus, denn mein Bruder machte sich Sorgen, in seiner Heimat nicht akzeptiert zu werden. Das richtete sich überhaupt nicht gegen die Fans! Er hatte Angst wegen der jahrelangen Schlagzeilen, mit denen er als Kinderschänder abgestempelt worden war, und wegen der Behandlung, die er in seinem eigenen Land erfahren musste. Er wusste nicht, ob seine Popularität den Sturm negativer Anschuldigungen überstanden hatte. Man sollte daran denken, dass die HIStory -Tour viele Jahre zurücklag und er nun 50 Jahre alt war. Darum suchte er sich die O2-Arena mit 20.000 Sitzplätzen aus, was verhältnismäßig klein war für einen Mann, der einst vor 180.000 Menschen auf der Aintree-Rennbahn in Nordengland auftrat. Beim Neuaufbau klein anfangen. Sich langsam wieder einfügen. Er musste den Grad der Begeisterung und Liebe der Fans erst im Kleinen erleben, bevor er wieder an ihre Loyalität glauben und sich sicher sein konnte, dass sie ihm nicht den Rücken gekehrt hatten.
Anfang 2008 spürte Michael nicht nur wieder das brennende Verlangen eines wahren Künstlers, er legte sich sogar einen Fünfjahresplan zurecht. Aber um besser verstehen zu können, wie sich seine Zukunft aus dem Chaos herauskristallisierte, möchte ich mit Ihnen in das Jahr 2005 zurückreisen, in dem mein Bruder aus dem Gerichtsaal trat, sich vornahm, nie wieder nach Neverland zu fahren, und nach Bahrain flog, um mit Prinz Abdullah Musik zu machen.
Nachdem Michael von den Behörden seinen Pass zurückerhalten hatte, setzte er sich sofort mit seinen Kindern und ihrer Nanny Grace in das nächste Flugzeug, um die Option eines neuen Wohnsitzes im Nahen Osten zu überprüfen. Er betrachtete die USA als einen guten Freund, der ihn verraten hatte, und er wollte eine Zeitlang nichts mit ihm zu tun haben. Doch wie einige seiner Freunde wissen, die ihn während der traumatischen Erlebnisse im Stich ließen, kam Michael immer wieder zurück. Er brauchte aber zuerst einen Freiraum, um sich in Ruhe zu erholen, da er nach dem Prozess unter Depressionen litt. Für mich stellte das eine ganz normale Reaktion auf den Stress dar, dem er ausgesetzt gewesen war. Als er in das Flugzeug stieg, wirkte er nur noch wie ein Schatten
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