Zärtliches Spiel mit dem Feuer
darin herumzusuchen.
Nachdem sie die Schranktür zugezogen hatte, bemerkte Charlie einen schmalen Spalt zwischen den beiden Schranktürflügeln, durch den sie einen wenn auch beengten Blick in das Zimmer werfen konnte.
Sie hörte einen Ausruf von Maisey, legte ein Auge an den Spalt und spähte hinaus. Maisey richtete sich gerade auf. In der einen Hand hielt sie eine lange Feder und in der anderen einen Stoffstreifen. Beides gab sie Lord Seguin und wühlte dann weiter in der Truhe herum.
Charlie blickte zu dem Lord, doch als dieser sich anschickte, seine Kniehose abzustreifen, schaute sie rasch zu Maisey zurück. Die Frau hatte inzwischen eine weitere Feder aus der Truhe gezogen. Sie legte sie zur Seite, entledigte sich ihrer Kleider bis auf ein Unterhemd, steckte sich dann die Feder ins Haar, legte noch zwei Schmuckreifen um ihren Arm und zeigte sich schließlich wieder Lord Seguin.
Charlie stockte der Atem. Der Mann hatte sich völlig ausgezogen und trug nun nur noch den Stoffstreifen als Lendenschurz. Die einigermaßen schwankend in seiner Perücke steckende Feder war das Einzige, womit er sonst noch bekleidet war. Angewidert lief ihr Blick über seine fleckige, dicke kleine Gestalt.
Der Mann war nicht größer als Charlie selbst, wog jedoch mindestens doppelt so viel, und jedes einzelne Pfund davon schien in seinem Bauch verstaut zu sein, der sich schwer über den provisorischen Lendenschurz wölbte. An allen anderen Körperstellen ähnelte der Lord eher einer Vogelscheuche. Mit seinen spindeldürren Beinen und Armen sah er reichlich lächerlich aus.
Er betrachtete Maisey. „Entzückend", erklärte er mit einem entschieden lüsternen Funkeln in den Augen. „Komm her, meine kleine Indianerprinzessin."
Mit einem sündigen Lächeln auf den Lippen schüttelte Maisey den Kopf und wich einen Schritt zurück. Seguin war über ihren Ungehorsam nicht etwa erzürnt, sondern er grinste nur ebenso sündig zurück und sprang dann hinter ihr her. Was nun kam, war wohl das absurdeste Fangenspiel, das Charlie jemals mit angesehen hatte.
Maisey lief kichernd durch den Raum. Lord Seguin, dieses Musterbeispiel der Würde und Diplomatie, schlug sich die Finger vor den Mund, stieß Töne aus, die wahrscheinlich Indianerrufe sein sollten, und jagte hinter ihr her. Hätte er gewollt, würde er Maisey leicht eingefangen haben, denn das Mädchen musste viel zu sehr kichern, um sich schnell bewegen zu können. Darauf schien es allerdings auch gar nicht anzukommen. Offenbar war allein die Jagd das Vergnügen.
Charlie sah Seguin in einem ganz neuen Licht. Sie hätte ihn gern niemals kennen gelernt und konnte nur daran denken, dass Beth sich richtig entschieden hatte, bei ihr zu bleiben, statt möglicherweise diesen Menschen zu heiraten. Charlie vermochte sich ihre Zwillingsschwester einfach nicht bei solchen Spielchen vorzustellen.
Schließlich ging die Jagd zu Ende. Die „Indianerprinzessin" blieb neben dem Bett stehen und drehte sich mit ausgestreckten Armen zu ihrem Häscher um, als wollte sie ihn abwehren. „Oh großer Krieger! Gnade!" rief sie dramatisch.
Seguin blieb ebenfalls stehen. Er brauchte einen Augenblick, um wieder zu Atem zu kommen, und nahm dann das schlanke Mädchen in die Arme. „Jetzt sollst du die Meine werden", keuchte er und warf sie aufs Bett.
Maisey landete mit gespreizten Beinen auf der Liegestatt. Das Hemd rutschte ihr bis zu den Hüften hinauf, als wäre diese Szene schon wiederholt aufgeführt worden und als wüsste das Mädchen, was es zu erwarten hatte. Charlie erhaschte einen Blick auf Seguin, der sich den Lendenschurz hochzog. Als er zwischen die Beine des Mädchens trat, zog sie sich rasch von ihrem Guckloch zurück.
Sie entschied, dass es jetzt der günstigste Moment zum Verschwinden sei. Rasch schlüpfte sie aus dem Schrank und huschte zur Zimmertür. Das Pärchen auf dem Bett war viel zu beschäftigt, um zu bemerken, dass sie den Raum verließ und die Tür hinter sich ins Schloss zog.
Der Flur draußen war wieder so leer wie zuvor. Radcliffe war nirgends zu sehen. Leider hatte sich Charlie nicht gemerkt, welche Richtung er eingeschlagen hatte, und wünschte sich jetzt, sie wäre vorhin aufmerksamer gewesen. Sie wandte sich nach links in der Hoffnung, sie würde ihm schon bald begegnen, oder er würde sie finden.
Die erste Tür, an der sie vorbeikam, war geschlossen. Leises Stöhnen und Kichern kamen von drinnen. Charlie lauschte, bis sie eine Männerstimme hörte. Das war nicht
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