Zeit des Lavendels (German Edition)
schimpfte Katharina innerlich und versuchte gleichzeitig, ihrem Gesicht den richtigen Ausdruck von Sittsamkeit und Bescheidenheit zu geben. Darauf legten die Nonnen Wert, das wusste sie schon lange. Es war so lächerlich einfach, sie zu täuschen.
Auch diesmal schien es ihr zu gelingen. Jedenfalls klangen Mechthilds nächste Worte schon etwas sanfter. »Nun schau dir deine Füße an, Kind. Die sind ja völlig schmutzig. So kannst du unmöglich deinen Dienst bei Magdalena von Hausen antreten. Und richte deine Haare. Mein Gott, dieser Wirbelwind! Du verdienst die Ehre überhaupt nicht, der Äbtissin zur Hand gehen zu dürfen. Wirst du denn nie vernünftig? Andere haben in deinem Alter schon zwei Kinder, und du benimmst dich immer noch wie ein kleines Mädchen!«
Mechthild musste sich abwenden, um ihr Schmunzeln zu verbergen. Diese Kleine war die geborene Schauspielerin. Auch wenn sie noch so zerknirscht tat, sie war es keineswegs. Das Mädel war schon eine arge Plage. Ein halbes Kind noch und kaum zu bändigen. Aber sie hatte gute Anlagen, bei Gott. Lernte schneller als viele andere. Konnte sogar schon etwas lesen. Vielleicht wäre sie doch noch in der Lage, dem Kind die notwendige Demut einzubläuen. Denn wo sonst sollte die Kleine hin als in ein Kloster? Niemand wusste, woher sie stammte. Oder zumindest fast niemand. Nur sie, die neue Äbtissin und vielleicht noch die alte Nele. Und sie würden es ihr niemals sagen. Wozu sollte das auch gut sein? Ein Mädchen aus dem Nirgendwo würde ohnehin kein Mann zur Frau nehmen. Jedenfalls hatte Katharina ein gutes Herz. Alles andere würde Magdalena mit ihrer Herzensgüte schon in Ordnung bringen. Da war sich Mechthild sicher. Ein besseres Beispiel an gottgegebener Nächstenliebe und christlicher Demut gab es nicht als Magdalena von Hausen. Arme kleine Katharina. Sie brauchte einfach etwas Zuneigung. Dann würden sich ihre Stacheln und ihr rebellisches Wesen schon legen. Hoffentlich war es dafür noch nicht zu spät. Mechthild seufzte innerlich und warf einen letzten Blick auf den Rücken der davoneilenden Katharina. Die hochgezogenen schmalen Schultern wirkten immer noch ziemlich rebellisch.
2
I n den braunen Augen Magdalena von Hausens spiegelten sich ihre Zweifel. Sie sah aus dem Fenster auf den Rhein, versuchte, aus dem wirbelnden Wasser des Stromes ihre Zukunft herauszulesen. Doch diese schien ihr ebenso unstet und undurchsichtig wie die Schwaden des Morgennebels, die über den Fluss zogen. Nun war sie gestühlt. Doch Gott hatte ihr noch immer nicht geantwortet. Trotz aller Gebete um Schutz und Kraft für dieses schwere Amt.
Dieses kleine Haus im Alten Hof würde sie nun auch verlassen müssen und in die Residenz der Äbtissin übersiedeln. Das Häuschen würde ihr fehlen. Wie oft war sie hier früher mit ihrer Schwester Genoveva gesessen und hatte unbeschwert gekichert. Über irgendeinen Blödsinn, an den sie sich schon längst nicht mehr erinnerte. Und dann waren da die Abende der heißen Diskussionen gewesen, wenn ein fahrender Mönch vorbeikam und das Neueste aus dem Kreis der Reformatoren aus Basel oder Zürich berichtete. Mein Gott, wie sehr ihr Genoveva fehlte. Nun war sie eine züchtige Hausfrau mit zwei kleinen Kindern, das dritte unterwegs, und lebte in Basel als Ehefrau des Tischmachers Thomas Rischacher. Nicht gerade ein Aufstieg für eine von Hausen, die sogar das Zeug gehabt hätte, Äbtissin zu werden. Doch Genoveva hatte sich für Thomas Rischacher entschieden. Das Stiftsleben, obschon im Vergleich nicht sonderlich streng reglementiert, hatte sie gelangweilt. Wie gerne hätte sie die quirlige, intelligente Genoveva jetzt um Rat gefragt. Nun musste sie Boten schicken oder auf die wenigen Besuche hoffen. Der nächste würde auf sich warten lassen. In ihrem gesegneten Zustand konnte Genoveva nicht reisen.
Es klopfte. Sie seufzte und erhob sich von ihrem Betschemel. Da flog die Türe auch schon auf. Es war Jakob Murgel.
»Meint Ihr nicht, gnädigster Domherr, auch Ihr solltet die Einladung einer Dame abwarten, ehe Ihr in ihr Zimmer stürmt?« Magdalena von Hausen bedachte Jakob Murgel mit einem eisigen Blick.
»Ich bin ein Mann der Kirche, so wie Ihr eine Frau der Kirche seid. Was also sollte man uns Böses nachsagen.« Mit einem leichten Achselzucken schüttelte er ihre Rüge ab. »Außerdem gibt es noch einiges zu besprechen. Dekan Ditzlin und ich werden demnächst aufbrechen.« Die arrogante Stimme des Mannes wurde etwas weicher. Wie Schmierseife,
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