Zeit des Lavendels (German Edition)
kann. Doch nun wird es wohl Zeit aufzubrechen. Die Morgendämmerung ist längst vorbei. Ditzlin und ich haben dem Laufenburger Pfarrer noch einen Besuch versprochen.« Mit diesen Worten verbeugte er sich und ging zur Türe.
»Dann erlaubt mir, dass ich Euch hinausbegleite. Ich lasse Euch Hut und Mantel bringen.« Magdalena von Hausen läutete. »Ihr habt hoffentlich Wegzehrung genug? Ich würde Euch gerne einige Flaschen von unserem neuen Wein mitgeben. Ihr wisst doch, die erste Ernte vom neuen Rebberg des Stiftes vom vergangenen Jahr ...« Sie lächelte. Und der sauerste Wein, den ich je getrunken habe, fügte sie in Gedanken hinzu. Sie öffnete die Türe in den Gang.
»Hoppla.« Lachend packte Jakob Murgel das Mädchen bei den Schultern, das so plötzlich in ihn hineingerannt war. Er schob sie etwas von sich, um sie sich genauer anzuschauen. Das Gesicht kannte er doch! Es war nicht eigentlich schön. Ja, jetzt erinnerte er sich. Er hatte sie gesehen, als Magdalena von Hausen gestühlt worden war. Dieses intensive, eigenwillige Gesicht mit den großen Augen war plötzlich aus der Masse der Besucher im Fridolinsmünster aufgetaucht, klar abgegrenzt von dem wabernden Brei undefinierbarer Köpfe einer undefinierbaren Menschenmenge. Einige lange Sekunden schaute er Katharina an, bis sie errötete und die Augen niederschlug. Er fühlte, wie sie instinktiv zurückwich, und ließ ihre Schultern los. Das Zurückweichen weckte seinen Jagdinstinkt. Diese kleine Unschuld musste man wohl langsam zähmen.
»Ist das Eure Dienerin? Ein hübsches Kind fürwahr. Und auch recht temperamentvoll. Nun, ich denke, sie hat alle Anlagen, um sich noch gut zu entwickeln. Dumm sieht sie jedenfalls nicht aus. Wie heißt sie denn, die Kleine mit den wirren Haaren und der verrutschten Haube?« Er schob einen Finger unter Katharinas Kinn und hob ihren Kopf hoch. Katharina schüttelte die Hand ab. Murgel lachte arrogant. »Nun, den nötigen Respekt gegenüber Höhergestellten wird sie wohl noch lernen müssen.« Katharinas Gesicht wurde glutrot.
»Das ist Katharina.« Die Stimme der gestühlten Äbtissin von Seggingen klang ruhig, aber voller Autorität. »Und sie ist mir mehr als eine Dienerin. Fast seit sie geboren wurde, lebt sie hier im Stift.« Magdalena von Hausen nahm das Mädchen bei der Hand. »Jedenfalls möchte ich ihre fröhliche Jugend nicht missen. Auch wenn sie manchmal etwas temperamentvoll ist, das gebe ich zu.« Lächelnd steckte Magdalena von Hausen einige der widerspenstigen Haarsträhnen unter Katharinas Haube zurück. Dem Mädchen war das sichtlich peinlich.
Jakob Murgel beobachtete die Szene interessiert. Magdalena von Hausen benahm sich dieser jungen Frau gegenüber beinahe mütterlich. Wie unangemessen. Oder doch nicht? Seit ihrer Geburt lebte diese Katharina also schon im Stift. Er witterte ein Geheimnis. Außerdem konnte die kleine Unschuld einen Mann schon in Wallung bringen. Sie hatte Feuer in den Augen und Pfeffer im Hintern, das gewisse Etwas eben. Eine richtige kleine Hexe — und eine gute Hand voll für einen erfahrenen Mann. Auch wenn sie es wohl selbst noch nicht wusste. Nun, man würde sehen. Ein Schritt nach dem anderen. Für heute hatte er genug erreicht.
Noch einmal glitt sein Blick von oben bis unten über Katharinas Gestalt und kehrte dann zu ihren Brüsten zurück. Dort saugte er sich fest. Katharina wich an die Wand zurück. In Murgels Augen erschien ein selbstsicheres Lächeln. Dann wandte er sich ab.
Noch Stunden später fühlte Katharina seine Augen wie Spinnenbeine überall an ihrem Körper. Murgel hatte sie mit seinem Blick nackt ausgezogen. Sie fühlte sich so schmutzig, gedemütigt und voller Ekel wie noch nie in ihrem ganzen Leben. Erleichtert hörte sie die Hufe der davontrabenden Pferde, als er mit Ditzlin aufbrach. Sie hatte sich in ihrer Kammer versteckt, um ihm nicht noch einmal zu begegnen. Sie hoffte, sie würde diesen Mann niemals wieder sehen.
Magdalena von Hausen hatte von all dem nichts bemerkt.
Vier Wochen später wurde Katharina wieder an Jakob Murgel erinnert. Unmissverständlich und in Form eines Befehls. Magdalena von Hausen überbrachte ihn. Die neue Äbtissin war inzwischen aus ihrem kleinen Häuschen ausgezogen und in den Amtssitz der Äbtissinnen übergesiedelt, die erste Aufregung war verflogen. Magdalena würde mit wachsender Erfahrung eine gute Leiterin des Stiftes werden. Darüber waren sich alle einig. Zumindest alle, die zählten. Vom Koch bis zu den
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