Zeit für Eisblumen
schlug neben den parkenden Autos auf. David rannte auf den Wagen zu, meine Mutter und Ian erschienen in der Tür des Pubs und folgten ihm, der Fahrer des Audis sprang aus seinem Fahrzeug und beugte sich über die Gestalt am Boden. Alles um mich herum war in Bewegung. Nur ich stand einfach nur da.
„Was haben die nur alle?“, fragte ich mich verwundert.
Dann fing ich an zu schreien.
Paul lag mit dem Rücken auf der Straße, sein Bein stand in einem merkwürdig verdrehten Winkel von seinem Körper ab. Blut sickerte aus einem Riss in der Hose. Ian kniete neben ihm. Ich sah, wie Milla zu dem Kleinen stürzen wollte, doch er hielt sie zurück.
„Bleib weg!“, herrschte er sie an und sie begann, hysterisch zu weinen.
„Ich habe es nicht gesehen“, stammelte der Autofahrer. Er ließ sich neben Paul auf den Boden sinken. „Das Kind war auf einmal da. Ich habe es nicht gesehen. Es tut mir leid. Es war einfach da.“
Doch niemand beachtete ihn. Niemand außer mir, die ich immer noch wie festgetackert auf der Straße stand und versuchte, die Bilder vor meinem Auge zu einem Ganzen zusammenzufügen. Wie in Trance ging ich auf die Gruppe zu. Meine Beine ließen sich nur schwer anheben, fast so, als würden sie von Gummibändern zurückgehalten. Ich hörte meine Schreie, aber sie schienen nicht zu mir zu hören.
Mein Sohn lag auf dem Boden. Wie eine zerbrochene Puppe. Seine Augen waren geschlossen, die Haare klebten ihm feucht an der Stirn. Er bewegte sich nicht.
„Was ist mit ihm? Oh mein Gott, was ist mit ihm?.“ Ich drängte mich an den knienden Menschen vorbei. Doch jemand hielt mich zurück.
„Du darfst ihn nicht bewegen“, sagte David. „Ich habe einen Krankenwagen gerufen. Er wird gleich da sein.“
„Lass mich!“ Ich schlug nach ihm. „Lass mich! Ich will zu meinem Kind.“ Verbissen versuchte ich, seinen Griff zu lösen. Aber er lockerte ihn nicht.
„Du darfst ihn nicht hochnehmen. Nicht bevor der Krankenwagen da ist.“
„Ich werde ihn nicht hochheben.“ Ich sackte in mich zusammen und schluchzte. „Bitte lass mich zu ihm!“
David strich mir beruhigend über Rücken und Kopf. Der Fahrer des Audis hatte mittlerweile eine Decke aus seinem Wagen geholt. „Kann ich sonst noch etwas für ihn tun? Es tut mir so leid. Ich wollte das nicht. Ich habe den Kleinen nicht gesehen.“ Er hatte die Arme so fest um seinen Körper geschlungen, als fürchte er, in zwei Hälften gerissen zu werden.
David ließ mich los und ich ließ mich zu Boden sinken. Ich griff nach Pauls Hand, streichelte darüber. Paul öffnete die Augen und sah mich mit einem seltsam leeren Blick an. So als würde er durch mich hindurchschauen und ganz woanders sein.
„Was machst du denn nur, mein Kleiner? Aber es wird alles wieder gut. Das verspreche ich dir.“ Tränen strömten über meine Wangen und meine Nase lief, doch ich wischte nichts weg. „Alles wird wieder gut.“ Zart strich ich ihm über die Stirn. Blut quoll an einer Stelle seines Hosenbeins hervor.
Ian nahm mich in den Arm. Meine Mutter saß zitternd daneben.
Eine Sirene ertönte und kurz darauf schoss der Rettungswagen heran. Zwei Männer stürzten heraus.
„Was ist passiert?“, fragten sie Ian. Er stand auf und erklärte es ihnen in knappen Worten.
Die beiden Rettungssanitäter beugten sich zu Paul hinunter. Sie untersuchten ihn, legten ihm eine Halskrause an und banden etwas um seinen Oberschenkel. Schließlich hoben sie ihn auf eine Trage und schoben sie in den Krankenwagen hinein. Einer der Sanitäter nahm mich am Arm. „Wir müssen ihn nach Loughrea ins Krankenhaus bringen. Kommen Sie mit? Sie können vorn bei mir sitzen.“
„Aber ich möchte bei meinem Sohn bleiben. Ich kann ihn doch jetzt nicht allein lassen.“ Ich schluchzte erneut.
„Hinten können Sie nichts für ihn tun“, entgegnete der Sanitäter unnachgiebig. Ich folgte ihm willenlos.
„Wir fahren euch nach!“, rief Ian, doch ich reagierte nicht.
„Ihr Sohn hat einen offenen Bruch am Oberschenkel.“ Der Sanitäter startete den Wagen. „Das sieht schlimmer aus, als es ist, weil dort viele Gefäße durchlaufen und Verletzungen deswegen so stark bluten.“
Ich konnte nichts antworten.
Am Krankenhaus warteten bereits Milla, David und Ian auf uns. Sie folgten den Sanitätern, Paul und mir zu einem Behandlungsraum. Ein Chirurg im weißen Kittel kam auf mich zu. „Wir werden Ihren Sohn untersuchen.“
„Kann ich mitkommen?“, fragte ich zitternd.
„Er muss geröntgt werden und
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