Zeit für Eisblumen
war.
„Ich bringe Paul ins Bett“, sagte Milla, kaum dass sie den letzten Bissen von ihrem Essen heruntergeschlungen hatte. Sie zog Paul aus seinem Hochstuhl heraus. Meinen noch fast vollen Teller übersah sie geflissentlich.
„Und du zeigst Sam, wo er heute Nacht schläft“, sagte Ian zu mir. „Im zweiten Zimmer rechts ist das Bett frisch bezogen.“
Ich räusperte mich. „Wo ist denn dein Gepäck?“, fragte ich Sam. „Im Auto. Soll ich es holen?“
„Aber das kannst du doch später noch.“ Milla gab ihm einen sanften Schubs in Richtung Tür.
„Kommt mit!“ Langsam führte ich ihn über die knarrende Holztreppe ins erste Stockwerk. Als ich die Tür zu dem besagten Zimmer öffnete, hätte ich fast umgedreht. Das verschnörkelte Metallbett stand darin. „So, hier ist es. Die Dusche ist im Flur. Am Anfang fand ich es seltsam, aber man gewöhnt sich dran.“
Sam sah sich um und trat zum Fenster. Ich folgte ihm und stellte mich neben ihn. Uns trennten kaum zehn Zentimeter, und trotzdem kam es mir so vor, als sei eine ein Meter dicke Wand aus Panzerglas zwischen uns. Ich hätte ihn gerne berührt, ihm sein widerspenstiges Haar aus der Stirn gestrichen. Aber ich traute mich nicht.
„Möchtest du die Dusche auch sehen?“
Sam schüttelte stumm den Kopf. Wir sahen uns schweigend an. Dann hielt ich es nicht mehr aus.
„Warum bist du gekommen?“, flüsterte ich.
„Ich habe dich vermisst. Dich und Paul. Ich wollte euch sehen.“ Er wich meinem Blick aus.
„Aber woher wusstest du, wo wir sind? Du hast dich überhaupt nicht bei mir gemeldet.“
„Deine Mutter … Wir haben mehrmals miteinander telefoniert.“
„Du hast mit Milla gesprochen?“, wiederholte ich ungläubig. „Aber sie hat mir nichts davon erzählt.“
„Ich dachte, es wäre besser, wenn du Zeit für dich hast. Um noch einmal über alles nachzudenken“, sagte Sam. „Um festzustellen, dass unsere Trennung vielleicht doch keine so gute Idee war“, fügte er nach einer kleinen Weile hinzu.
„Wenn du auf eine Versöhnung mit mir gehofft hast, warum bist du mit Monika Arm in Arm durch die Fußgängerzone geschlendert?“, fragte ich spitz.
Sam sah mich verblüfft an.
„Lilly und Mia haben euch gesehen“, erklärte ich.
Seine Augen weiteten sich und ich bildete mir ein, eine Spur von Schuldgefühlen darin zu erkennen.
„Du hast mit ihr geschlafen, oder?“, fragte ich resigniert. Aber ich kannte die Antwort bereits.
„Ja.“ Sam schaute auf einen Punkt an der Wand hinter mir.
„Und, wie ist sie so im Bett?“ Ich bemühte mich, cool und gelassen zu wirken, obwohl sich mein Innerstes bei seinen Worten schmerzhaft zusammengezogen hatte.
„Was soll das?“, sagte Sam gequält. „Meinst du, ich würde jetzt hier stehen, wenn es für mich etwas Besonderes gewesen wäre?“
Ich zuckte mit den Schultern.
„Nein, das würde ich nicht. Denn es war nichts Besonderes für mich. Wirklich nicht. Es gibt nämlich nur eine Sache, die etwas ganz Besonderes für mich ist.“ Er stockte. Doch dann fuhr er leise fort: „Und das bist du.“
„Was ist mit Paul?“, versuchte ich die Situation ins Lächerliche zu ziehen.
„Du weißt, was ich meine.“ Sam trat einen Schritt vor und nahm meine Hand. Langsam und vorsichtig, als hätte er Angst, ich würde sie ihm jeden Moment entziehen. Sekundenlang standen wir so da, ohne uns zu bewegen. Ich konnte sein Rasierwasser riechen. Den Duft, den er schon seit Jahren benutzte. Ich konnte sehen, wie sich sein Brustkorb unter dem dünnen Langarmshirt hob und senkte. Vorsichtig legte ich meine freie Hand darauf. „Dein Herz schlägt ganz schnell.“
Sam nickte unbehaglich. „Sieht so aus.“ Er griff meine Hand. „Ich wollte das nicht“, sagte er unglücklich. „Aber ich hatte etwas getrunken und du hattest dich von mir getrennt.“
„Pst.“ Ich berührte mit dem Zeigefinger seine Lippen. Einen kurzen Moment dachte ich an David, mich und das schäbige Pensionszimmer. Es gab nichts zu verzeihen.
Ich küsste ihn. Zuerst langsam, dann immer heftiger. Ich klammerte mich an ihn, als würde ich nur einen Zentimeter vor einem Abgrund stehen. Genau das tat ich wohl auch.
„Wir sollten zuerst miteinander reden“, dachte ich. Doch mein Widerstand schmolz dahin, als er mich auf die Matratze des Metallbetts hinunterdrückte.
Und dieses Mal dachte ich weder an Ashton Kutcher noch an sonst jemanden, sondern nur an Sam.
Eine Stunde später lag ich an seiner Brust. Ich lauschte seinem Atem und
Weitere Kostenlose Bücher