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Zeitschaft

Zeitschaft

Titel: Zeitschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gregory Benford
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hast zuviel Kafka gelesen. Ja, sicher komme ich mit.«
    »Wann?«
    »Woher soll ich das wissen? Es ist deine Fahrt, sind deine Eltern.«
    Sie nickte. Ein seltsam schmerzhafter Ausdruck erschien auf ihrem Gesicht und verschwand wieder. Gordon fragte sich, was sie gerade empfand, fand aber keine einfache Möglichkeit, danach zu fragen. Er öffnete den Mund, um sich dem Thema vorsichtig zu nähern, gab aber wieder auf. War die Fahrt nach Oakland Teil des höfischen Tanzes, sollte der Junge zu Hause in Augenschein genommen werden? Vielleicht war das nur ein Ostküsten-Phänomen, er war sieh nicht sicher. Nach der Erklärung, daß sie ihn nicht heiraten wollte, und nachdem sie bei ihm geblieben war und mit ihm zusammenlebte, als würde alles so weitergehen, war ihm Penny ein absolutes Rätsel geworden. Seufzend gab Gordon das Thema auf.
    Er las einige Minuten und sagte dann: »He, hier steht, der Vertrag über die Einstellung von Atomtests ist in Kraft.«
    »Sicher«, murmelte Penny, die sich schläfrig im Sand bewegte. »Kennedy hat ihn schon vor Monaten unterzeichnet.«
    »Muß mir entgangen sein.« Gordon dachte an Dyson und Orion, ein seltsam reizvoller Traum, der jetzt tot war. Niemand würde in nächster Zeit zu den Planeten reisen, das Raumprogramm würde auf Flüssigbrennstoffraketen weiterhinken. Gordon durchfuhr der Gedanke, daß die Zeit jetzt drängte. Neue Ideen und neue Leute kamen ins alte La Jolla der Chandler-Zeit. Derselbe Kennedy, der den Vertrag durchgeboxt und Orion gestoppt hatte, machte die Nationalgarde von Alabama zur Bundestruppe, um George Wallace daran zu hindern, sie gegen das Integrationsprogramm einzusetzen. Medgar Evers war vor wenigen Monaten getötet worden. Das ganze Land wurde von dem Gefühl erfaßt, daß sich etwas ändern mußte.
    Gordon warf die Zeitschrift zur Seite. Er rollte sich auf den Bauch und begann einzudämmern. Eine Seebrise trug den Gestank verrottenden Seetangs auf den Strand. Er verzog die Nase. Zum Teufel mit dem Druck der Zeit. Politik ist für den Augenblick, hatte Einstein einmal gesagt, eine Gleichung für die Ewigkeit. Wenn er die Seiten wählen müßte, wäre Gordon auf der Seite der Ewigkeit.
     
    An diesem Abend führte er Penny zum Dinner und dann zum Tanz ins El Cortez aus. Normalerweise tat er so etwas nicht, aber die andauernde Spannung zwischen ihnen bedurfte einiger Aufmerksamkeit. Während des Essens unterhielten sie sich. Bei den Drinks danach begann er: »Penny, die Geschichte zwischen uns, sie ist kompliziert…« Sie erwiderte: »Nein, sie ist komplex.« Er hielt inne und sagte dann: »Na gut, okay…« Scharf sagte sie: »Das ist ein Unterschied.« Aus irgendeinem Grund ärgerte ihn das. Er beschloß zu schweigen. Sollte der Abend eben den seichten Verlauf nehmen, den sie zu mögen schien. Merkwürdig, wie sie in einem Moment eine hochintelligente, kompromißlose Literaturstudentin sein konnte und sich wenig später als gewöhnliches, mittelamerikanisches, trotziges Dutzendmädchen gab. Vielleicht war sie Teil dieser Zeit der Veränderungen.
    Sie tanzten nur zu den langsamen Stücken. Sie bewegte sich anmutig und leicht in ihrem schlanken rosa Kleid. Er trug schwarze Schuhe, die aus seiner New Yorker Zeit übriggeblieben waren, und kam ab und zu aus dem Takt. Der Sänger hauchte mit Bluesstimme ins Mikrofon: »People stay, just a little bit longer. We wanna play, just a little bit more.« Plötzlich zog Penny ihn mit bemerkenswert kräftigem Griff an sich und flüsterte ihm »Sam Cooke« ins Ohr. Er wußte nicht, was sie meinte. Die Vorstellung zu wissen, wer einen bestimmten Schlager komponiert hatte, erschien nun beinahe unglaubhaft.

 
– 29 –
28. August 1963
     
     
    Der Störungspegel der NMR-Messungen begann zu steigen. Jeden Tag war er ein wenig höher. Gewöhnlich stellte Gordon die Veränderung bei der ersten Datenüberprüfung am Morgen fest. Er schrieb sie dem allmählichen Nachlassen einer Komponente des Aufbaus zu. Wiederholte Überprüfungen der möglichen Schwachstellen ergaben nichts. Auch Tests der weniger wahrscheinlichen Stellen halfen nicht. Jeden Tag wurden die Störungen schlimmer. Zuerst dachte Gordon, es könnte sich um eine Art »spontaner Resonanzen« handeln. Das Signal war jedoch zu abgehackt, um Genaueres feststellen zu können. Er verbrachte mehr Zeit mit den Versuchen, das Signal/Störungs-Verhältnis zu verkleinern. Nach und nach nahm es den größten Teil seines Arbeitstags in Anspruch. Er kam nun auch nachts.

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