Zeugin am Abgrund
Haar hatte sie hochgesteckt und ein dunkles Kopftuch umgebunden, auf das sie zudem noch einen breitrandigen Strohhut gesetzt hatte.
“Wenn wir im vierten Stock ankommen, werden weitere Polizisten dort sein, wahrscheinlich auch FBI-Agenten”, sagte Sam zu den anderen. “Denkt daran, was ich euch gesagt habe. Sobald wir nah genug an den Agenten sind und ich das Signal gebe, beginnt ihr alle, euch lautstark zu beklagen. Das macht ihr so lange, bis ich sage, ihr sollt aufhören.”
“Kein Problem, Cousin”, erwiderte Larry. “Wer weiß? Vielleicht können wir ja sogar noch was erreichen, wo wir schon mal hier sind.”
Das Ablenkungsmanöver war erfolgreich. Die Männer vor dem Gebäude nahmen von ihnen kaum Notiz, und die Wachleute im Inneren erklärten ihnen den Weg zum Gerichtssaal von Richter Holloway, ermahnten sie aber, ruhig zu sein.
Sam hatte oft genug in diesem Gerichtsgebäude ausgesagt und wusste, daß sich Holloways Saal genau gegenüber des Gerichtssaals befand, in dem Richter Bruno das Verfahren gegen Giovessi führte.
Wie Sam erwartet hatte, standen zwei weitere Federal Marshals vor dem Gerichtssaal und beobachteten jeden genau, der im Flur unterwegs war. Bei ihnen hielten sich zwei FBI-Agenten auf. Einer von ihnen war Sams alter Freund Todd Berringer, der andere war John Scudder, der von allen im Büro meistens nur Scud genannt wurde.
Sam hustete zweimal, und augenblicklich begann sich die Gruppe lautstark darüber zu beklagen, man habe ihnen die Wasserrechte gestohlen, der Richter solle schnell zu einer Lösung kommen, weil sie sonst den Staat verklagen würden.
Der entscheidende Augenblick war gekommen, und Sam hielt den Atem an, aber weder Todd noch Scud erweckten den Anschein, dass sie ihn und Lauren erkannten, als sie ihre Blicke über die Gruppe wandern ließen. Sie schüttelten bloß den Kopf und wandten sich ab, da eine Horde aufgebrachter Indianer sie nicht interessierte.
Die Aufzugtüren gingen auf, und Augustus und Walter stiegen aus. Wie geplant gingen Sams Vater und sein Onkel an der protestierenden Gruppe vorbei, ohne ihn anzusehen. Todd stoppte und befragte sie kurz, einen Moment später durften sie den Gerichtssaal betreten.
Sam und seine Freunde drängten in den gegenüberliegenden Saal, wo gerade ein Fall verhandelt wurde, der alle Anwesenden so fesselte, dass man von der Gruppe kaum Notiz nahm, als die sich auf den beiden hinteren Zuschauerbänken niederließ. Lauren wurde dabei die ganze Zeit in der Mitte der Gruppe gehalten.
“Und jetzt?” flüsterte sie Sam zu, als sie sich gesetzt hatten.
“Jetzt warten wir, bis Dad kommt und uns sagt, dass du aufgerufen wirst.”
Es dauerte nicht lange. Keine Viertelstunde später steckte Augustus den Kopf durch die Tür und nickte ihnen zu.
Sam sah das Entsetzen in Laurens Blick und spürte förmlich den Schauder, der ihr über den gesamten Körper lief. Er drückte ihr aufmunternd die Hände, dann zog er sie hoch, gab ihr einen Kuss und sah ihr tief in die Augen. “Komm, Baby, es geht los. Es wird Zeit, dass ein paar Köpfe rollen.”
Die anderen gruppierten sich wieder um Lauren und Sam, damit sie wie ein Mann auf den gegenüberliegenden Saal zugehen konnten, vor dem die ernst dreinblickenden Federal Marshals standen. Todd und Scud hatten sich in den Raum begeben und dort zu beiden Seiten der Tür Stellung bezogen.
Als die Gruppe um Sam hineinging, sorgte sie sofort für Unruhe. Die Agenten versuchten den scheinbaren Demonstranten den Weg zu versperren.
“Was soll denn das?” donnerte der Richter und schlug wütend mit dem Hammer auf den Tisch. “Ruhe! Ruhe im Saal!”
Augustus, der in der ersten Reihe saß, beugte sich vor und flüsterte dem Staatsanwalt etwas zu, der sofort aufsprang.
“Euer Ehren, diese Leute sind lediglich eine Eskorte zum Schutz der Zeugin.”
“Einspruch, Euer Ehren!” rief einer der Verteidiger. “Das ist nichts weiter als ein theatralisches Manöver, um die Geschworenen zu beeinflussen!”
“Das ist nicht wahr, Euer Ehren”, gab der Staatsanwalt zurück. “Man hat bereits wiederholt versucht, Ms. Brownley zu töten.”
Der Richter dachte einen Moment lang nach. “Einspruch abgewiesen. Wer von Ihnen ist Lauren Brownley?”
Lauren sah Sam angsterfüllt an. “Du machst das schon”, flüsterte er und drückte noch einmal ihre Hand.
Sie schluckte, dann nickte sie und straffte die Schultern. “Ich bin Lauren Brownley, Euer Ehren”, sagte sie und trat vor.
Sam und die anderen
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