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Zimmer Nr. 10

Titel: Zimmer Nr. 10 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ake Edwardson
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Gebäude, die der Abrisswut der sechziger Jahre entgangen waren. Fünf Häuserblocks hatten überlebt, als hätte gerade dieser Teil der Stadt im Schatten gelegen, als die Stadtplaner die Karte studierten, vielleicht bei einem Picknick in der Gartenvereinigung auf der anderen Seite des Kanals.
    Das »Revy« existierte schon lange, vorher war in dem Gebäude ein Restaurant gewesen. Das gab es jetzt nicht mehr. Und nun lag das Hotel im Schatten eines relativ neuen »Sheraton« am Drottningtorget. Was für eine Symbolik.
    Es ging das Gerücht, das »Revy« diene als Bordell. Vermutlich war es durch die Nähe zum Hauptbahnhof und wegen der großen Fluktuation von Gästen beiderlei Geschlechts aufgekommen. Das meiste war inzwischen Vergangenheit, die Gerüchte und die Wirklichkeit. Winter wusste, dass sich hin und wieder die Einheit im »Revy« umsah, die für Menschenhandel zuständig war, aber in der Vergangenheit hatte es nicht mal den Huren oder Freiern hier gefallen. Vielleicht war der Besitzer wegen Kuppelei einmal zu oft verklagt worden. Gott weiß, wer jetzt dort übernachtete. Wenige. Das Zimmer, in dem Paula Ney gefunden worden war, hatte drei Wochen leer gestanden. Davor hatte ein arbeitsloser Schauspieler aus Skövde vier Nächte lang darin gewohnt. Er war wegen der Audition für eine Fernsehserie in die Stadt gekommen, hatte die Rolle jedoch nicht ergattert. Nur eine kleine Rolle, das hatte er Winters Kollegen Fredrik Halders erzählt: Ich sollte einen Toten spielen.
    Winter hörte ein Klopfen und hob den Kopf. Bevor er etwas sagen konnte, ging die Tür auf und Kriminalkommissar Bertil Ringmar, der dritthöchste Mann im Fahndungsdezernat, trat ein. Er schloss die Tür hinter sich und setzte sich auf den Stuhl vor Winters Schreibtisch.
    »Herein«, sagte Winter.
    »Ich bin’s doch bloß.« Ringmar rückte quietschend mitsamt dem Stuhl näher. Dann sah er Winter an. »Ich war oben bei Öberg.«
    Torsten Öberg war Kommissar wie Winter und Ringmar und stellvertretender Leiter der Spurensicherung ein Stockwerk über dem Fahndungsdezernat.
    »Ja?«
    »Er hat da etwas …«
    Das Telefon auf Winters Schreibtisch klingelte und unterbrach Ringmar mitten im Satz.
    Winter nahm ab. »Hier Erik Winter.« Er lauschte wortlos, legte auf, erhob sich. »Wenn man vom Teufel spricht. Öberg will uns sehen.«
    »Es ist schwierig, jemanden aufzuhängen.« Öberg lehnte an einer der Arbeitsbänke im Labor. »Besonders wenn das Opfer um sein Leben kämpft.« Er zeigte auf die Gegenstände, die auf dem Tisch lagen. »Aber es ist selbst dann nicht leicht, wenn kein Widerstand geleistet wird. Körper sind schwer.« Er sah Winter an. »Das gilt auch für junge Frauen.«
    »Hat sie Widerstand geleistet?«, fragte Winter.
    »Nicht den geringsten.«
    »Was ist passiert?«
    »Das rauszufinden ist dein Job, Erik.«
    »Nun komm schon, Torsten. Du hast doch was für uns.«
    »Sie hat nicht auf dem Stuhl gestanden«, sagte Öberg. »Soweit wir feststellen konnten, hat sie zu keiner Zeit darauf gestanden.« Er rieb sich den Nasenrücken. »Hat der Portier ausgesagt, er sei hochgesprungen und habe das Strickende zu fassen gekriegt?«
    Winter nickte.
    »Er ist nicht auf den Stuhl gestiegen?«
    »Nein. Der muss umgekippt sein, als der Körper fiel.«
    »Sie hat eine Verletzung an der Schulter«, sagte Öberg.
    »Die könnte sie sich in dem Moment zugezogen haben.«
    Wieder nickte Winter. Er hatte mit Pia Fröberg gesprochen.
    »Der Portier, Bergström heißt er, hat das Strickende gepackt und mit aller Kraft daran gezogen, und dabei hat sich der Knoten gelöst.«
    »Klingt, als hätte er gewusst, was er tat«, sagte Öberg.
    Er habe ja keine Ahnung gehabt, hatte Bergström bei dem ersten kurzen Verhör Winter in einem übel riechenden Raum hinter der Lobby erzählt. Er habe nur gehandelt. Instinktiv, hatte er gesagt, instinktiv. Er habe Leben retten wollen.
    Erkannt habe er die Frau nicht, weder in dem Moment noch später. Sie hatte sich nicht eingetragen, sie war kein Hotelgast.
    Er habe den Brief gesehen, das Blatt Papier. Ein Abschiedsbrief, so viel habe er begriffen in der Sekunde, bevor er handelte. Von jemandem, der des Lebens müde war. Er habe den Stuhl neben ihr gesehen, aber auch das Strickende, und da sei er zu ihr gestürzt.
    »Dieser Stuhl ist sorgfältig gesäubert worden«, sagte Öberg.
    »Was soll das heißen?«, fragte Winter.
    »Wenn sie sich hätte aufhängen wollen, hätte sie erst auf den Stuhl steigen und den Strick am

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