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Zimmer Nr. 10

Titel: Zimmer Nr. 10 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ake Edwardson
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können.
    Vielleicht hatte Ellen Börge es nicht ausgehalten.
    Fünf Stunden. Dann hatte der Mann die Polizei angerufen. Wenn Christer Börge der war, der er zu sein schien, er hätte sofort anrufen müssen. Sein Recht fordern. Einen massiven Einsatz fordern. Seine Frau zurückfordern.
    Winter hatte sich gewundert. »Haben Sie sich keine Sorgen gemacht? Fünf Stunden können lang sein, wenn man auf jemanden wartet.«
    »Hätten Sie denn etwas unternommen, wenn ich es früher gemeldet hätte?« Börges Stimme hatte plötzlich heller geklungen, fast schrill. »Hätten Sie nicht nur gesagt, man müsse abwarten?«
    »Woher wollen Sie das wissen?«, fragte Winter. »Ist Ihre Frau früher schon mal verschwunden? Haben Sie schon mal bei der Polizei angerufen?«
    »Äh … nein. Ich meine nur, dass man abwarten soll. So was liest man doch immer wieder. Die Polizei rät abzuwarten, nicht?«
    »Das kommt drauf an«, sagte Winter, überraschend in der Rolle dessen, der auf Fragen antwortet. Das war schwer, Verhöre sind schwer. »Das kann man nicht verallgemeinern.«
    »Manchmal … ist sie spazieren gegangen«, sagte Börge, ohne dass Winter eine weitere Frage gestellt hatte. »Sie blieb Stunden weg, ohne Bescheid zu sagen. Also vorher jedenfalls.«
    »Fünf Stunden?«
    »Nein, so lange nie, vielleicht zwei, höchstens drei.«
    »Warum?«
    »Warum was?«
    Börge saß nun still auf seinem Sofa, als würde es ihn beruhigen, sich an Vergangenes zu erinnern.
    »Warum blieb sie Stunden weg, ohne Ihnen Bescheid zu sagen?«
    »Zwei Stunden hab ich gesagt.«
    »Haben Sie sie das nie gefragt?«
    »Was sollte ich sie fragen?« Börge strich über den Plüsch, als würde er einen Hund, eine Katze streicheln. »Sie ist doch nur spazieren gegangen.«
    »Und diesmal ist sie weggegangen, um eine Zeitschrift zu holen. Vermutlich eine ›Femina‹.«
    »Wenn Sie es sagen.«
    »Hier gibt es nur diese.« Winter griff nach dem obersten Heft auf dem Stapel und suchte den Erscheinungsmonat auf dem Umschlag. »Sind Sie sicher, dass sie eine Zeitschrift kaufen wollte?«
    »Ja.«
    »Hat sie irgendwelche anderen Zeitschriften abonniert?«
    »Was? Nein … Das hatte sie früher … aber jetzt kauft sie … nur noch hin und wieder …«
    »Wann hat sie mit dem Abonnieren aufgehört?«
    All das konnte er überprüfen, aber er wollte trotzdem fragen. Es konnten wichtige Fragen sein. Häufig wusste er das erst hinterher.
    »Tja …« Börge betrachtete den kleinen Stapel auf dem Tisch, »daran kann ich mich nicht genau erinnern. Vor einigen Monaten, glaube ich.«
    »Liest sie noch andere Zeitschriften und Zeitungen?«
    »Na ja, wir haben eine Tageszeitung, Göteborgs-Posten. Und dann wohl die da.« Er zeigte auf den Stapel. »Sie können gern in den Schränken nachschauen, aber ich hab nur die da gesehen.«
    »Sie hatte die Nummer schon«, sagte Winter.
    »Was?«
    Winter hielt die beiden obersten Hefte hoch.
    »Sie hatte die August- und Septemberausgabe bereits.«
    »September? Es ist doch noch gar nicht September.«
    »Die Zeitschriften erscheinen kurz vorm Monatsende, vermute ich.« Winter warf wieder einen Blick auf den Umschlag.
    »Hier steht September 1987.«
    »Vielleicht war es nicht die Zeitschrift«, sagte Börge, »von der sie sprach, also nicht die, die sie kaufen wollte.«
    Winter sagte nichts. Er wartete. Manchmal war es gut zu warten. Das war das Schwerste, die schwerste Kunst beim Verhör.
    Es vergingen dreißig Sekunden. Winter konnte regelrecht sehen, wie das Schweigen Börge verunsicherte, wie er überlegte, ob er etwas gesagt hatte, das Winter nicht gefiel oder das Winter misstrauisch gemacht hatte. Und jetzt meinte er etwas sagen zu müssen, damit sich die Stimmung am Sofatisch wieder besserte, auflockerte.
    Börge stand plötzlich auf und ging zu dem Bücherregal, das mehr wie ein großer Wandschrank war, eine Vitrine mit Platz für Porzellan, Andenken, Bücher, einige gerahmte Fotos. Dort hatte Winter auch Ellens Gesicht entdeckt.
    Börge blieb vor den Büchern stehen, als suchte er nach einem bestimmten Titel. Er drehte sich um. »Wir haben uns ein bisschen gestritten.«
    »Wann?«
    »Bevor sie ging …«
    »Worüber haben Sie gestritten?«
    »Kinder.«
    »Kinder?«
    »Tja … Sie möchte ein Kind, aber ich finde es noch zu früh.«
    Winter sagte nichts zu dem Einunddreißigjährigen, vor allen Dingen deshalb nicht, weil er selber keine Meinung dazu hatte. Kinder waren für ihn ein Fremdwort. Eine eigene Familie lag in ferner Zukunft,

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