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Zimmer Nr. 10

Titel: Zimmer Nr. 10 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ake Edwardson
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fast außerhalb der Zeit. Nicht einmal seine Phantasie reichte aus, um über den Hügel zu gucken. »Und darüber haben Sie sich gestritten?«
    »Wie ich schon sagte. Aber es war nicht schlimm.«
    »Wie meinen Sie das?«
    »Es war eigentlich kein richtiger Streit. Sie hat nur … davon gesprochen.«
    »Und Sie wollten nicht darüber sprechen?«
    Börge antwortete nicht.
    »Haben Sie sich darüber früher schon mal gestritten?«
    »Ja …«
    »Und diese Auseinandersetzungen endeten damit, dass sie wegging? Ohne zu sagen, wann sie zurückkommen würde.«
    Börge nickte.
    Winter wollte eine Antwort hören. Er wiederholte die Frage.
    »Ja«, sagte Börge.
    »War das auch der Grund, weshalb sie diesmal weggegangen ist?«
    »Ach … eigentlich haben wir uns nicht richtig gestritten. Und sie wollte ja die Zeitschrift kaufen.« Börges Blick fiel auf das Heft, das Winter von dem Stapel genommen hatte, das Heft, das sie kaufen wollte, aber schon besaß.
    »War das jedes Mal der Grund, wenn sie wegging?« Winter folgte Börges Blick. »Streit darüber, wann Sie Kinder wollen?«
    »Hm … ich erinnere mich nicht«, sagte Börge. »Aber sie ist ja immer wiedergekommen.« Nun sah er Winter direkt an, suchte seinen Blick. »Sie ist immer wiedergekommen.«
    Aber diesmal kam sie nicht zurück.
    Sie kam nie zurück.
    »Jetzt erinnere ich mich wieder«, sagte Winter. »Sie ist nicht wieder nach Hause gekommen. Ellen. Sie hieß Ellen. Ellen Börge.«
    Sie blieben am Fenster stehen. An diesem späten Augustabend war es dunkel wie im November. Winter dachte an den Zeitschriftenumschlag, auf dem »September« gestanden hatte.
    Ein September nach dem anderen kam und ging, doch Ellen Börge sammelte die Hefte nicht mehr auf einem Stapel, jedenfalls nicht auf diesem Sofatisch.
    »Ich erinnere mich auch wieder.« Ringmar lächelte schwach im hereinfallenden Licht. »Und ich erinnere mich an dich. Es muss dein erster Fall gewesen, oder einer deiner ersten.«
    »Der erste Fall, der erste Misserfolg.«
    »Einer langen Reihe.« Ringmar lächelte.
    Winter nickte.
    »Diesen Fall konnten wir wirklich nicht aufklären, aber wir haben auch nicht herausgefunden, ob ein Verbrechen dahintersteckte,« sagte Ringmar.
    »Wir haben nicht einmal geklärt, ob es sich bei unserem jetzigen Fall um ein Verbrechen handelt«, erwiderte Winter.
    »Bedeutet dir das etwas?«, fragte Ringmar. »Mehr als üblich? Ellen Börges Verschwinden?«
    »Ich weiß nicht.« Winter fühlte sich plötzlich müde, so als wären die Jahre von damals bis jetzt in einer Reihe angestolpert gekommen und lasteten auf ihm, alle auf einmal. »Aber da war was … mit Ellen Börge … Ich konnte nicht richtig loslassen.«
    »Anfangs ist es immer schlimm«, sagte Ringmar, »wenn man noch ganz grün ist.«
    »Nein.« Winter strich sich übers Kinn. Er spürte und hörte das Kratzen der Bartstoppeln. Sie waren grau geworden, vor etwa einem Jahr. Es war nicht das Alter. Es waren die Gene, ganz normal. So alt war er nun auch wieder nicht. »Ich hab manchmal darüber nachgedacht«, fuhr er fort, »in den vergangenen Jahren. Da war was. Etwas, das ich hätte tun können. Etwas, das ich hätte sehen müssen. Es war da, vor meinen Augen. Ich hätte es sehen müssen. Hätte ich es gesehen, wäre ich weitergekommen.«
    »Weiter? Wohin weiter?«
    »Weiter … zu Ellen Börge.«
    »Du redest, als hätte es sich um ein Verbrechen gehandelt«, sagte Ringmar. »Als wäre sie einem Verbrechen zum Opfer gefallen.«
    Winter breitete die Arme aus, vor Ringmar, der Nacht.
    »Aber jetzt haben wir es mit einem wirklichen, einem unzweifelhaften Verbrechen zu tun«, sagte Ringmar.
    »Hmm.« Winter schüttelte den Kopf. Es fühlte sich an, als rasselte etwas dort drin, vielleicht eine Schraube, die fester angezogen werden müsste. »Ich bin plötzlich so müde. Jetzt hab ich sogar vergessen, wie wir auf Ellen Börge gekommen sind.«
    »Hotel ›Revy‹«, sagte Ringmar. »Sie hat ebenfalls in der gemütlichsten Herberge der Stadt eingecheckt.«
    »Aber Paula Ney hat doch gar nicht eingecheckt«, sagte Winter.
    »Nein«, sagte Ringmar, »und sie hat auch nicht ausgecheckt.«

2
    Hatte Paula Ney den Brief an ihre Eltern, an Mario und Elisabeth, wirklich selbst geschrieben? Die Schrift war ähnlich, und im Augenblick mussten sie davon ausgehen, dass Paula Ney den Brief geschrieben hatte, doch eine genauere Analyse sollte es endgültig beweisen. Genauere Analysen wurden an allem vorgenommen, was sie im Hotelzimmer

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