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Zimmer Nr. 10

Titel: Zimmer Nr. 10 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ake Edwardson
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gefunden hatten, aber Winter konnte nicht still in seinem Zimmer sitzen und warten, während andere die Vorarbeit leisteten. Und die Hintergrundarbeit. Die Analysen würden irgendwann vorliegen. Doch er musste vom ersten Moment an über die vier großen Fragen nachdenken, die sich immer stellten, sofort. Was genau ist passiert? Warum ist es passiert, und warum gerade so? Wer könnte den Mord auf gerade diese Weise ausgeführt haben? Und welche Motive steckten dahinter?
    Winter stand im Hotelzimmer. Vor dem »Revy« rumorte das städtische Leben, es murmelte hinter den zugezogenen Vorhängen. Er ging zum Fenster und schob den Vorhang beiseite, das Licht blendete ihn und die Geräusche wurden plötzlich lauter, als hätte jemand an einem Zentralschalter im Rathaus den Ton lauter gedreht.
    Nur noch die wenigen Tage des Septembers, und die Wärme, die am Wendekreis des Krebses hängen geblieben war, war plötzlich nordwärts gedrückt worden. Jetzt war die Sonne auf dem Weg hinunter ins Bild des Steinbocks, und die Hitze lag schwer und drückend über dem Norden. Verrostete Grillgeräte wurden wieder hervorgeholt, und an den schwarzen Abenden brannten Feuer in den Gärten, in der feuchten Dunkelheit roch es nach Ruß, und Winter dachte an ferne Länder, da unten zwischen den Wendekreisen von Krebs und Steinbock. Die Tropen. Eines Tages würde er dorthin reisen, Thiruvananthapuram, Cochin, Madurai, Georgetown, Singapur, Padang, Surabaya.
    In den Tropen gab es keine Schatten. Ein Mensch warf keinen Schatten, der floss durch den Körper und verschwand unter den Fußsohlen.
    Winter blinzelte in dem überraschend hellen Licht, das von draußen hereindrang, drehte sich zurück zum Zimmer und wartete, bis die Konturen wieder deutlicher erkennbar wurden.
    Das Zimmer schimmerte golden. Rotgolden. Wenn er blinzelte, waren die Flecken an der Wand nicht zu sehen. Einige dieser Flecken gehörten zum Tapetenmuster, andere waren später hinzugekommen.
    Er trat an das Bett hinten an der Längswand und schaute zur Tür, auf der ein blumenartiges Muster war. Es sah aus, als hätte jemand ein Glas Rotwein gegen die Tür geworfen. Wein? Warum denke ich an Wein? Es sieht aus wie Tinte. Schwarz wie die Schrift in Paulas Brief. Ihrem Abschiedsbrief.
    Das Zimmer war fast unverändert seit damals, als er zum ersten Mal hier gewesen war. Die Stille hing darin wie eine Erinnerung. Wie das große Gemälde an der Wand. Es gab keine weiteren Spuren. Keine weiteren Flecken. Das einzig Rote hier drinnen war das rote Gold, genauso falsch wie das Zimmer, das Hotel, das Viertel, manchmal diese ganze verdammte Stadt. Aber jetzt war es still im Zimmer, als würde die Absperrung auch alle Geräusche der Stadt aussperren.
    Und doch hing es zusammen, gehörte alles auf eine Weise zusammen, die er noch nicht durchschaut hatte, es war, als starrte man auf einen Haufen Puzzleteilchen und wusste, dass sie alle zusammenpassten, nur wusste man noch nicht, wie.
    Die schreckliche Botschaft in dem Brief war Teil einer umfassenderen Nachricht. Er kannte den Inhalt jetzt auswendig, ihre Worte. Sie handelten von Liebe, einer großen Liebe. Oder vom Gegenteil. Nein. Ja. Nein. Hatte sie unter Drogen gestanden? Hatte er ihr diktiert? Was schreibt man als letzte Worte? Wusste sie, dass es ihre letzten Worte sein würden? Nein. Ja. Nein. Ja.
    Er gab das Fragen und Antworten auf und konzentrierte sich auf das Zimmer. Was hat sich hier abgespielt, kurz davor? Paula war hierher gekommen, aber Winter wusste nicht, ob allein oder zu einer Verabredung. Dem Mann unten an der Rezeption war nichts aufgefallen. Sie hatte sich nicht angemeldet, und niemand erinnerte sich daran, dass sie allein am Empfangstresen gestanden hätte. Wenn sie überhaupt dort gestanden hatte. Hier kamen und gingen die Leute, Frauen, Männer, Frauen und Männer. Selten Kinder. Hier gab es kein Spielzimmer. Keine Kinderstimmen, und Winter glaubte nicht, dass es sie jemals gegeben hatte. Solche Erinnerungen gab es hier nicht.
    Der Mörder war hierher gekommen. Paula Ney hatte ihre letzten Worte auf das Briefpapier des Hotels geschrieben. Ein Relikt. Hatte der Mörder gewusst, dass es auf dem Hotelzimmer Briefpapier gab? Oder war der Brief das Ergebnis einer spontanen Idee? Paula hatte das Zimmer nicht mehr verlassen, nachdem sie es betreten hatte. Dessen war sich Winter ganz sicher. Hatte sie erst Stunden später, Stunden, nachdem sie es betreten hatte, den Brief geschrieben? Winter sah sich wieder um. Warum dies

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