Zipfelklatscher
Herrn Wedehopf von der Sparkasse zu. Der neuerdings zaunpfahldünne Hans Leutheuser teilt sich mit meinem Vater und seiner Helga den besten Platz am See und hat bis jetzt noch nichts davon gesagt, dass David sich bald einen neuen Job suchen kann. Aus der Küche kommt Basti, der Insel-Schmied, der gerade in Null Komma nix Spüle und Wandverkleidung in Ordnung gebracht hat, und zieht einen fetten Joint hervor, den er sich in die Dreadlocks geklemmt hat. Es gibt Fisch, gefangen vom Lechner Sepp, und Sepps hübsche Tochter Leonie geht herum und versorgt alle mit Weinschorle und Bier. Ein paar Segelgäste, die die Drechsel Caro mitgebracht hat, machen Fotos von unserem Sonnfischerschild, Kletterrose im Vordergrund, Chiemsee im Hintergrund. Schwester Sebastiana und Gorvinder sind zusammen da und überreichen mir als Geschenk einen Gutschein über zehn Ster Mirabellenholz, die sie auf Davids Bitte hin in einem Südtiroler Klostergarten aufgetan haben und die mir nächste Woche auf die Insel gebracht werden. Der Öhi bekommt von Blasi eins auf die Nase, bis der merkt, dass der Setter sich nichts aus seiner Meerrettichsahne macht, und dann rollen sich die beiden zu einem weiß-schwarz-weißen Fellknäuel zusammen.
Ich habe Mamas chiemseeblaues Dirndl an und das Gefühl, dass alles richtig gut läuft, sensationell gut sogar. Und so nehme ich Davids Hand und gehe mit ihm barfuß zu unserer Bucht, in der wir uns das erste Mal geliebt haben. Wir stoßen mit unseren Bierflaschen an und schauen aufs Wasser.
»Gleich lernst du meine Schwester kennen«, sage ich dann, und mir ist ganz warm innendrin, »ich glaube, mein Vater ist unterwegs, um sie abzuholen, ich hab ihn heute den ganzen Tag noch nicht gesehen.«
»Hoffentlich mag sie mich«, sagt David und steckt seine Nase in meine Locken.
»Sicherrr«, antworte ich und plantsche mit den Füßen ein bisschen im Wasser. »Ich glaube, da kommt sie schon.«
Fünf Leute kann ich in unserem Boot erkennen, als wir Hand in Hand an den Steg zurückgehen: Meine Schwester mit ihren leuchtenden, glatten Haaren, die schmale Gestalt von Xaver, dann Fränzis Chef, daneben Professor Geiger, und einen Mann mit Cowboyhut.
»Janni, wo ist mein Vater?«, frage ich besorgt, als der mir die Leine zuwirft, und ich sehe am Gesicht meiner Schwester, dass Papa sie auch nicht zum Geburtstag angerufen hat.
»Ich hab leider null Ahnung«, antwortet Janni. »Euer Schiff, das hat mir gerade die Wasserwacht vorbeibracht, weil es auf dem See umeinandergetrieben ist, irgendwo zwischen Prien und der Krautinsel. Ich hab mir denkt, der heutige Tag war für dich schon gesalzen genug und hab dich deshalb ned gleich angerufen. Der taucht schon auf, der Boni!«
»Das tut er sicher, wahrscheinlich hat er vergessen, einen gescheiten Knoten zu machen«, sage ich betont ruhig, »ich rufe mal in Prien an, die sollen ihn nach Hause schicken. Kann ja nicht sein, dass ihm Babyfische wichtiger sind als der Geburtstag seiner Töchter.«
»Ich mach das für dich«, sagt Janni und geht Richtung Haus, »ich hab die Nummer, sag du erst einmal Servus zu deiner Schwester! Xaver, kommst mit?«
»Und«, fragt mich Fränzi, und sieht aus wie eine Außerirdische, so hübsch ist sie, »du bist ja kaum wiederzuerkennen, dir geht’s richtig gut, oder?«
»Ja, und dir? Hast du dich vertragen mit dem Janni? Weißt du, dass er sich ziemlich Mühe gegeben hat in der letzten Zeit?«
»Ich glaube auch, dass es an der Zeit ist, dass der Xaver ihn wieder regelmäßig sieht. Mehr natürlich nicht«, sagt sie und lässt ihre Hand in die von ihrem Chef schlüpfen, der in seinem weißen Leinanzug, dem Strohhut und den grauen Schläfen aussieht wie der große Gatsby persönlich, »aber Vater ist Vater.«
»Guck mal, mein Engel, da ist was angeschwemmt worden«, ruft der Chef gerade, und deutet mit der Schuhspitze auf das grünliche Wasser in unserem kleinen Hafenbecken, »ist das nicht …?«
»Oh ja, das ist aus der Redaktion«, ruft Fränzi, schnappt sich einen Käscher und versucht das kleine weiß-pinke Gerät zu sich heranzuziehen, das in einer zugezippten Plastiktüte an der Oberfläche schwimmt wie in einer Blase.
»Das ist Papas iPod, oder, Kati?«
»Ja, und er hat ihn zum Bootfahren immer in dieser Tüte, damit er nicht nass wird. Das heißt, er muss ihn auf dem Boot dabeigehabt haben!«
Ich bin wild entschlossen, es nicht für ein verdammt schlechtes Omen zu halten, wenn Papas iPod und sein Boot auf dem Chiemsee
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