Zoe und der mächtige Tycoon
Wie hatte sie dieses harte Glitzern in seinen gletscherblauen Augen vorhin übersehen können?
„Sie sind eine von diesen Balfour-Beautys, über die man in der letzten Zeit so viel hört, oder?“ Er hielt es offenbar nicht für nötig, seine Stimme zu dämpfen.
Plötzlich verstummten die Gespräche an der Bar. Ein weiterer Blick in Max’ Richtung lenkte Zoe allerdings erfolgreich von der peinlichen Situation ab, in der sie steckte. Als sie sah, wie Max unaufhaltsam zur Tür strebte, die über die Terrasse nach draußen führte, und an der Türschwelle zu stolpern schien, bevor er ihrem Blick entschwand, vergaß sie alles andere um sich herum.
„Tut mir leid, aber ich glaube, ich habe Ihren Namen inzwischen komplett vergessen, Mr …“, erklärte sie mit süßem Lächeln. „Sie entschuldigen mich?“
Ohne auf etwaige Zusammenstöße zu achten, bahnte sich Zoe rücksichtslos einen Weg durch die Partygäste, um Max so schnell wie möglich einzuholen. Doch sie fand ihn weder auf der Terrasse noch im dunklen Garten. Verbissen folgte sie dem schmalen Pfad, der sie ganz sicher zum Strand führen würde, wo sie Max tatsächlich aufspürte. Unbeweglich stand er da und starrte hinaus aufs dunkle Meer.
„Max?“
Er rührte sich nicht.
„Max!“
„Du hast dich dort drinnen prächtig amüsiert, nicht wahr?“, fragte er, immer noch mit dem Rücken zu ihr.
„Nein, das habe ich nicht“, gab Zoe nach einer Pause leise zurück. „Ich habe nur mein Bestes getan, um den Anschein zu erwecken.“
„Das hast du auch schon bei unserer ersten Begegnung behauptet.“ Er schob die Hände in die Taschen, legte den Kopf in den Nacken und schaute zum Himmel empor. „Du sagtest, die Party würde dich langweilen und dass du besser als ich darin wärst, so zu tun, als würdest du dich amüsieren …“
„Ich war schon immer gut darin, so zu tun als ob.“ Irgendwie hatte sie das ihr ganzes Leben lang getan. Damit war es jetzt vorbei. „Ich glaube aber nicht, dass ich weiterhin Lust dazu habe.“
„Nicht?“ Max lachte auf, doch für Zoe hörte es sich an wie ein Schluchzen.
Und plötzlich wusste sie mit aller Klarheit, dass das hier – wie auch alles andere in der Zeit davor – gar nichts mit ihr zu tun hatte. Es ging einzig und allein um Max!
Während sie zu ihm eilte, fielen alle Furcht und Unsicherheit von ihr ab. Als Zoe von hinten die Arme um seinen Oberkörper schlang, fühlte sie, dass sein Hemd ganz nass von der aufspritzenden Gischt war.
„Was ist mit dir, Max?“
Sie dachte schon, er würde nie antworten, aber irgendwann brach es aus ihm heraus.
„Ich … ich weiß nicht, ob ich dich damit belasten kann …“, erwiderte er.
Zoe dachte an den Morgen, als er kurz davor gewesen war, sich ihr anzuvertrauen, und an die Angst, die ihr die Kehle zugeschnürt hatte. War sie stark genug zu ertragen, was Max ihr sagen wollte?
Du bist stärker, als du denkst, Zoe.
„Was ist es?“, fragte sie ruhig und lehnte ihre Wange an seinen Rücken.
Ein Schauer durchlief seinen starken Körper. Max trat einen Schritt vor, sodass ihre Arme kraftlos herabfielen. Dann drehte er sich langsam um, legte seine Hände auf Zoes Schultern und zog sie ganz dicht zu sich heran. Es war so dunkel, dass sie seine Gesichtszüge kaum erkennen konnte. Zum ersten Mal seit langer Zeit fiel ihr wieder seine Narbe ins Auge. Sie hatte zwischendurch einfach keine Rolle gespielt, doch jetzt leuchtete sie silbrig im fahlen Mondlicht.
Zart strich sie mit den Fingerspitzen darüber. „Max“, wisperte sie. „Sag es mir.“
Schwer lehnte er seine Stirn gegen ihre. „Ich bin blind, Zoe.“
Sie öffnete den Mund, doch es kam nichts heraus. Ungläubig versuchte sie zu erfassen, was Max gesagt hatte, aber es machte keinen Sinn.
Blind!
Ein Stich in der Brust raubte ihr den Atem. „Wie …“
„Makuladystrophie. Das ist eine genetische Erkrankung, die eine kontinuierliche Degeneration der Makula, also der Stelle auf der Netzhaut, die für das scharfe Sehen verantwortlich ist, zur Folge hat. Das bedeutet den weitgehenden Verlust der Sehkraft oder, wie wahrscheinlich in meinem Fall, die totale Erblindung.“
Sie konnte ihn nur fassungslos anstarren. Zu viele Gedanken und Fragen schwirrten durch ihren Kopf, als dass sie auch nur eine davon hätte formulieren können.
Doch Max schien genau zu wissen, was in ihr vorging, denn jetzt war er es, der ihr sanft und tröstend über die Wange strich. „Bis zu dem Unglück wusste ich selbst nichts
Weitere Kostenlose Bücher