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Zornesblind

Zornesblind

Titel: Zornesblind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sean Slater
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»Persönliche Erfahrungen – Amanda bekam das gleiche Zeug nach ihrem ersten Selbstmordversuch.«
    »Oh«, meinte Felicia betroffen. Dann schwieg sie.
    Einen Moment lang war die Stille im Raum unerträglich. Strikers Gedanken kreisten um seine Frau und ihre Depressionen.
    Die Erinnerung würde vermutlich nie verblassen.
    Er hoffte inständig, dass Courtney anders war als ihre Mutter. Leider Gottes war sie genauso eigenwillig und launisch wie Amanda, und er machte sich häufiger Sorgen, dass sie irgendwann Probleme mit Depressionen bekommen könnte. Dass sie sich im letzten Jahr eine schlimme Wirbelsäulenverletzung zugezogen hatte und jetzt eine Therapie machte, kam erschwerend hinzu. Seit einiger Zeit war sie kaum ansprechbar und oft richtig zickig. Typisch für eine Sechzehnjährige, redete er sich zu. Oder, wie Felicia meinte, typisch für einen Skorpion.
    Er rief sie an. Sie nahm beim fünften Klingeln ab.
    »Hey, Mäuschen«, sagte er.
    »Oh, hi, Dad. Lass mich raten – es wird heute Abend mal wieder spät, stimmt’s?«
    »Scherzkeks. Mmh, ich glaub schon.«
    »Du glaubst? Nee, Dad, das war mir gleich klar.«
    Er lachte. Sie kannte ihn verdammt gut. Kannte den Job.
    »Verdammt schlechter Tag heute«, erklärte er. Einen kurzen Moment lang war er versucht, ihr das mit Mandy zu erzählen, aber dann überlegte er es sich anders. Sie waren zwar nie wirklich Freundinnen gewesen, trotzdem war es besser, wenn er es Courtney persönlich sagte.
    »Dad?«, fragte sie.
    »Wie war es heute bei der Therapie?«
    »Ich bin nicht hingegangen.«
    Striker schluckte. »Hör mal, Courtney, ich finde das nicht gut. Du musst zu dieser Therapie gehen. Sonst wirst du nie wieder richtig fit. Annalisa meint auch …«
    »Ich kann Annalisa nicht ausstehen. Sie ist eine blöde Zicke.«
    Striker atmete tief durch. Felicia beobachtete ihn und belauschte wie üblich ihr Gespräch, folglich wandte er sich ab. »Hey, nenn sie nicht so. Das finde ich nicht gut. Es ist respektlos. Schließlich will Annalisa dir bloß helfen.«
    Courtney lachte zynisch auf. »Helfen? Das nennst du helfen? Sie hilft mir kein bisschen. Du hast ja keine Ahnung. Du machst schließlich keine Therapie!«
    »Stimmt, aber das ändert nichts an der Tatsache …«
    »Ich muss Schluss machen, Dad, sonst läuft die Badewanne über.«
    »Courtney …«
    Sie hatte aufgelegt.
    Striker fuhr sich mit den Fingern durch die Haare. Nach einer kurzen Weile steckte er sein iPhone zurück in die innere Sakkotasche. Er brauchte einen kurzen Moment, um sich zu fassen. So war es in letzter Zeit ständig mit Courtney – eine emotionale Achterbahnfahrt mit Höhen und Tiefen.
    Wie früher mit Amanda.
    Er drehte sich um und fing Felicias Blick auf. »Wenn du das nächste Mal mithören willst, tu dir keinen Zwang an, und stell dich einfach neben mich.«
    Felicia ignorierte seine spitze Bemerkung. »Ist sie mal wieder sauer auf dich?«
    »Sie denkt, ich bin der Antichrist.«
    »Tja, das denken bestimmt viele Frauen.«
    Sie lachte leise über ihren eigenen Scherz; Striker blieb ernst. Er inspizierte den Raum und fand nichts Aufschlussreiches, nur die traurigen Hinweise auf eine schwere Persönlichkeitsstörung; schmutzig verkrustetes Geschirr auf der Küchenanrichte, vergammelte Essensreste auf dem Tisch, bergeweise ungewaschene Wäsche, Zeitungen stapelten sich auf dem Boden. Überall lag irgendetwas herum.
    Er beugte sich über die Arbeitsplatte und ging Mandys herumliegende Post durch. Handyrechnungen. Abrechnungen für Kreditkarten. Mahnschreiben. Bewerbungsschreiben und Absagen.
    Alles in dem Zimmer signalisierte die Abwärtsspirale der Depression, die niemand aufgehalten hatte.
    »Hey, Schiffswrack.« Ein massiger kleiner Cop mit buschigen weißen Augenbrauen und einem imposanten Bauch zwängte sich durch die Tür. Er schob sich schwer und leise ächzend in den Raum.
    »Hey, Noodles.« Striker nickte kurz zu seinem Kollegen.
    Noodles. Eigentlich hieß er Jim Banner. Striker hielt große Stücke auf ihn. Noodles war der beste Mann bei der Spurensicherung, ach was, er war die Spurensicherung. Den Spitznamen Noodles hatte Banner bekommen, als er sich im Noodle Shack in Burnaby an einer Gabel Linguine in Sahnesoße verschluckt hatte und fast daran erstickt wäre. Banner hasste den Spitznamen, aber damit musste er jetzt leben.
    So war das halt mit den netten Kollegen.
    »Ihr verfluchten Cops«, knurrte Noodles. »Ihr ruiniert mir komplett mein Sozialleben.«
    Striker feixte. »Du brauchst

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