Zottelkralle
verschmähte die Lakritzschnecken, was ihm furchtbar schwerfiel. Dann seufzte er noch mal tief und schleppte sich die Treppe hinauf in sein Zimmer.
Kurze Zeit später klopfte Mama an die Tür. »Nimm doch Vernunft an, Kalli!«, sagte sie. »Ein Monster als Haustier! Irgendwann werden wir morgens wach und es hat uns angefressen.«
»Zottelkralle frisst keine Menschen. Er ist nett«, sagte Kalli. »Faul und verfressen, aber nett. Und du bist mit diesem Speer auf ihn losgegangen. Nur, weil er dein Klavier bekleckert hat.«
»Er sah gefährlich aus!«, sagte Mama ärgerlich. »Mit all diesen Armen und Zähnen! Ach, ist ja auch egal. Ich muss jetzt jedenfalls üben.«
Damit verschwand sie.
Gespannt lauschte Kalli nach unten. Jeder dritte Ton ging daneben. Na bitte. Rasch lief er ins Bad und legte noch mal Puder nach.
Zehn Minuten später steckte Mama den Kopf wieder durch seine Tür. »Da hörst du es. Ich kann nicht üben. Nur, weil du so ein Sturkopf bist. Sei jetzt bitte mal vernünftig.«
»Ich will mein Monster zurück«, sagte Kalli.
»Aber das ist doch vollkommen verrückt!«, rief Mama. »Bisher wolltest du wenigstens nur einen Hund. Aber ein Monster …«
»Ich will keinen Hund, ich will mein Monster!«, sagte Kalli. »Ich werde es auch erziehen. Ehrenwort.«
»Unmöglich«, sagte Mama. »Das ist vollkommen unmöglich.«
Jetzt, dachte Kalli. Jetzt ist es Zeit, den letzten Trumpf auszuspielen. »Es liebt dein Klavierspiel, Mama!«, sagte er. »Ganz verzückt war es davon. Ehrlich.«
»Was? Dieses Vieh?« Seine Mutter wurde rot. Wie immer, wenn jemand ihr Klavierspiel lobte. »Blödsinn.«
»Doch, doch!«, beteuerte Kalli. »Nur deshalb hat es das Klavier so beschmiert. Weil es auch so wunderbare Musik machen wollte. Könntest du es ihm nicht beibringen? Stell dir bloß mal vor, es könnte ganz allein vierhändig spielen.«
Mamas Klavierlehreraugen leuchteten auf. Aber dann schüttelte sie wieder den Kopf. »Ach was, das ist ja lächerlich. Dieses stinkende, scheußliche Vieh …«
»Es badet leidenschaftlich gern«, sagte Kalli. »Och, bitte, Mama. Bitte, bitte, bitte, lass mir mein Monster!«
»Unmöglich! Was würde dein Vater sagen?«
Kalli grinste. »Papa liebt scheußliche Sachen.«
»Ach, es ist doch sowieso längst über alle Berge«, sagte Mama.
Da wusste Kalli, dass er gewonnen hatte.
[zurück]
11
Zottelkralle war bester Laune, als er aus der Höhle von Trüffelzahn zurückkam. Was hatten die beiden gestaunt, als er ihnen von seinen Abenteuern im Menschenhaus berichtet hatte! Grün vor Neid waren sie geworden, jawohl, grasgrün. Von den unangenehmen Vorkommnissen hatte er natürlich nichts erzählt. Wozu auch?
Schmatzend vor Vergnügen kroch Zottelkralle zwischen die Pullover und schloss die Augen für ein wohlverdientes Schläfchen.
Aber er schnarchte noch keine fünf Minuten, als ihn etwas weckte. Über seinem Kopf war ein seltsames Scharren zu hören. So, als krieche etwas über den Schuppenboden. Was war denn das nun wieder? Hatte er in den letzten Tagen nicht schon genug Aufregung gehabt? Besorgt spitzte er die Ohren. Vielleicht eine Katze? Oder ein Hund?
»He, Zottelkralle!«, rief plötzlich eine sehr vertraute Stimme. »Bist du da?«
Der Kalli-Mensch! Was wollte der denn hier? Zottelkralle sträubte sich vor Ärger das Fell.
Jetzt klopfte der Kerl auch noch auf den Brettern herum. Das war ja nicht auszuhalten! Wütend kroch Zottelkralle seinen Tunnel hinauf und schob die Holzbretter zur Seite.
»Was willst du hier?«, fauchte er. »Verschwinde! Ich will nichts mehr mit dir zu tun haben. Nichts.«
Das Menschlein machte ein zerknirschtes Gesicht. Neben ihm auf dem Schuppenboden stand ein großer Korb. Ein verführerischer Duft stieg aus ihm auf und zog in Zottelkralles feine Nase.
»Es tut mir leid!«, sagte Kalli. »Ehrlich! Furchtbar leid! Aber musstest du auch so eine entsetzliche Schweinerei anrichten? Ausgerechnet auf Mamas Klavier?«
»Pah!« Beleidigt verzog Zottelkralle das breite Maul. »Aufspießen wollte sie mich! Jawohl, aufspießen! Meinen Schwanz hat sie mir fast ausgerissen! Und einen Tunnel durch den ganzen Garten musste ich mir graben. Die Arme tun mir jetzt noch weh. Keine Ahnung, wie viele Jahre meines Lebens mich das gekostet hat!«
Zerknirscht griff Kalli in seine Hosentasche. »Da, ich hab dir deine Sonnenbrille mitgebracht. Und guck mal.« Er stellte den Korb direkt vor Zottelkralles dicke Monsternase. »Das ist auch für dich.«
»Hm.«
Weitere Kostenlose Bücher