Zu Schnell
bin’s, Alice Kennedy. Bist du da?«
Ich lief den Flur entlang und öffnete die Tür, aber nicht ganz. Vorsichtig streckte ich den Kopf hinaus, wie die uralte Frau in der Werbung, wenn der Gasmann klingelt, um den Zähler abzulesen – nur dass es natürlich überhaupt nicht der Gasmann ist, sondern ein Kerl, der sie ausrauben will, und am Schluss klaut er ihr die Rente und schlägt sie zusammen. »Hallo«, sagte ich.
Sie lächelte. »Hallo, Danny.«
»Mam ist nicht da«, brummelte ich. Wenn bei uns irgendwelche Frauen vorbeikamen, wollten sie immer meine Mutter besuchen.
»Ich weiß«, sagte Mrs Kennedy. »Dein Vater hat mich angerufen. Er meinte, du hast vielleicht Hunger.«
»Ja, stimmt. Ich habe heute Mittag gar nichts gegessen.«
»Und jetzt ist es schon gleich sechs. Wir dachten, du möchtest vielleicht zu uns zum Abendessen kommen.«
»Aber Mam macht bestimmt später auch was für mich«, murmelte ich und starrte verlegen auf meine Schuhe.
»Dein Vater hat gesagt, sie holen sich auf dem Heimweg was zu essen, er und deine Mutter. Deshalb hat er mich gebeten, ob du vielleicht bei uns essen kannst, und da habe ich natürlich sofort ja gesagt«, erklärte sie. »Wir würden uns sehr freuen, wenn du zu uns kommst. Luke deckt schon den Tisch für uns alle. Am besten kommst du gleich mit, sonst brennen mir noch die Steaks an.«
Sie zerrte mich fast aus dem Haus, und ich zog die Tür hinter mir zu. Es war ein angenehmes Gefühl, wie sie meine Hand festhielt. Ihre Haut war weich und ihre Hand kaum größer als meine. Aber ich wollte auf keinen Fall, dass Luke mich Hand in Hand mit seiner Mutter herumlaufen sah, deshalb befreite ich mich aus ihrem Griff, bevor wir ins Haus traten.
»So was nennt sich Sommer«, sagte sie unterwegs und lächelte mir zu, als hätten wir beide sonst keine Sorgen. Als wäre bei uns in der Familie nicht gerade etwas ganz Schlimmes passiert und als würde Mr Kennedy immer noch bei ihr wohnen. »Früher, in meiner Kindheit, waren die Sommer ganz anders, das kannst du mir glauben. Die Sonne schien viel wärmer.«
Im Haus konnte ich gleich riechen, wie das Fleisch brutzelte.
»Wir sind da!«, rief Mrs Kennedy fröhlich, als wir die Küche betraten. Luke saß am Tisch und schaute mich ganz komisch an. Wusste er gar nicht, warum ich da war? Benjamin Benson, der Freund seiner Mutter, stand am Herd und rührte in einem Topf. Kurz drehte er sich um und grinste mich an. Er war der größte und dickste Mann, den ich je gesehen hatte. Ein richtiger Riese, mit einer schneeweißen Haarmähne und einem buschigen weißen Bart. Er sah aus wie ein Eisbär, fand ich.
»Guten Abend, junger Mann«, begrüßte mich Mr Benson. Er redete wie jemand aus einem anderen Jahrhundert. »Zum Glück habe ich noch ein zusätzliches Steak gekauft, für den Fall, dass wir Besuch bekommen. Allzeit bereit, heißt mein Motto. Warst du je bei den Pfadfindern?«
»Nein«, antwortete ich.
»Pfadfinder sind schwul«, brummte Luke. Mr Benson musterte ihn und nickte nachdenklich.
»Ich würde die Behauptung wagen, dass diese Aussage auf manche Pfadfinder zutrifft«, sagte er. »Und manche sind traurig, andere nervös. Wieder andere sind komplett verrückt. Jeder Mensch ist anders. Ich hoffe, du magst Pilzsoße, Danny.«
»Sehr sogar«, sagte ich.
»Ausgezeichnet!«, rief er mit dröhnender Stimme. Dann widmete er sich wieder seinem Topf und rührte. Schließlich hielt er mir den Holzlöffel hin. »Probier mal und sag mir, ob ich noch ein bisschen nachsalzen soll. Aber denk dran – man kann immer noch was dazugeben, aber rückgängig machen kann man es nicht. Beim Friseur ist es natürlich genau umgekehrt. Der kann immer noch ein bisschen mehr wegnehmen, aber nichts dazugeben.«
Ich berührte mit den Lippen die Löffelspitze, ganz vorsichtig, weil ich Angst hatte, ich könnte mich verbrennen, aber die Soße war gerade warm genug, ohne heiß zu sein. Und sie schmeckte extrem lecker.
»Sehr gut«, lobte ich.
»Ausgezeichnet!«, rief er wieder. »Ich würde vorschlagen, du setzt dich schon mal an den Tisch, während ich hier alles fertigmache. Alice, ich hoffe, du hast nicht vor, die Kartoffeln selbst abzugießen. Das ist nichts für eine Frau. Nimm Platz, schenk dir ein Glas Wein ein und erlaube mir, dich zu bedienen – bitte!«
Ich setzte mich zu Luke. Er nickte und fragte: »Alles okay?«
»Ja, alles okay«, erwiderte ich und fügte leise hinzu: »Das Ganze hier war nicht meine Idee. Deine Mutter ist zu
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