Erlösung
Prolog – Die Prophezeiung
Lesley Ashton lag in einem riesigen Bett, umgeben von weichen Kissen, die ihren Körper regelrecht einrahmten. Sie sah aus wie ein schlafender Engel, ruhig und friedlich. Ihre zarte Haut war in feine Seide gehüllt, die ihre hübschen Rundungen zu liebkosen schien. Und auf ihrem Gesicht lag noch immer ein zufriedener Ausdruck, als würde sie von wundervollen Dingen träumen. Konnte dieses unbeschwerte Lächeln bis in alle Ewigkeit auf ihren Lippen verweilen? Die Frage in seinem Kopf blieb unbeantwortet. Behutsam strich er über ihre entblößten Schultern, über die samtige Haut, die bisher immer so warm gewesen war. Jetzt fühlte sie sich nur noch kalt an. Auch ihre Glieder waren erstarrt, leblos, genauso wie seine eigenen. Lesleys gesamter Lebensfunke war inzwischen erloschen und er wusste, dass von heute an nichts mehr so war wie zuvor. Er schloss seine Augen und lauschte auf die Stille ihres Herzens, das den Kampf gegen den Tod schlussendlich verloren hatte. Es würde nun unwiderruflich schweigen. Ab jetzt gab es kein Zurück mehr. Seine Finger glitten langsam ihren Hals hinauf, bis sie schließlich ihre Wange streiften, die einmal so rosig gewesen war und die jetzt nur noch bleich und fahl wirkte. Dunkles Rot traf auf blasses Weiß.
Seine Hand zuckte abrupt zurück, aber zu spät, ihr makelloses Antlitz war bereits beschmutzt. Das Blut klebte an seinen Händen. Es war Lesleys und er war dafür verantwortlich. Lizs kostbare Sterblichkeit war aus ihren Adern gewichen, weil er sie vollends in sich aufgenommen hatte. Ja, er hatte sie getötet. Noch immer lag der bittersüße Geschmack ihres Blutes auf seiner Zunge. Das Elixier ihres Lebens floss durch seine Venen, es hatte seinen Körper mit loderndem Licht erfüllt und, auch wenn es nicht von Dauer gewesen war, so hatte er diesen Augenblick zumindest vollständig ausgekostet. Solange bis nichts mehr übrig geblieben war, das er in seiner Gier hätte verschlingen können. Und nun starrte der Vampir auf den unbeweglichen Körper, der vor ihm lag, der bloß noch wie eine menschliche Hülle wirkte. Plötzlich wurde ihm schmerzlich bewusst, dass sein Engel ihn nicht mehr mit ihrer Wärme umfangen konnte. Nie wieder würde er die Hitze ihrer Haut auf seiner spüren, dafür hatte er letztendlich gesorgt und für seine Tat würde er die Verantwortung tragen müssen. Er wusste, dass es langsam an der Zeit war, sich zu verabschieden. Also beugte er sich hinunter, um seine Lippen auf Lesleys sinnlichen Mund zu legen. Und der Vampir gab seiner einzigen Liebe einen letzten Kuss…
Meine Finger hatten sich in den weichen, leicht zu überwindenden Widerstand gekrallt und ich hätte die Matratze vermutlich zerfetzt, wenn die Vision noch länger angehalten hätte. Aber sie ging endlich vorüber, obwohl sie weiterhin in meinem Kopf schmerzte, wie eine Nachwehe, die schwerfällig dabei war, abzuebben. Ich versuchte die fürchterlichen Bilder zu verdrängen, doch sie verblassten nur sehr langsam. Zu langsam. Die Voraussage war einfach gekommen, ich hatte sie nicht steuern können, was das Ganze bloß noch schlimmer machte. Bisher waren es immer nur Fetzen von Erinnerungen und Offenbarungen gewesen, die in mein Bewusstsein gedrungen waren, aber dieses Mal war es etwas ganz anderes gewesen: Ich hatte Lesleys Tod vorhergesehen. Vielmehr noch, ich war ihr Mörder! Es konnte unmöglich eine Prophezeiung sein, ich würde ihr niemals etwas antun. Meine innere Stimme lachte auf und sie erinnerte mich sofort daran, dass genau das eingetreten war. Vor noch nicht allzu langer Zeit war ich schon einmal nicht mehr ich selbst gewesen. Peters Gabe hatte versucht, die Kontrolle in mir zu übernehmen. Durch sein Blut hatte ich unerklärlicherweise nicht nur seine Fähigkeit aufgenommen, sondern auch seinen ganzen Hass. Der Zorn in ihm war stark gewesen und es hatte mich ziemlich viel Anstrengung gekostet, die Oberhand zurückzugewinnen. Dank meines Schöpfers war es mir letztendlich gelungen. Wie so oft hatte er sich um mich gekümmert. Nicht auszudenken, was passiert wäre, wenn er nicht eingegriffen hätte. Ich hätte Liz verletzt, womöglich sogar noch Schlimmeres. Doch Vincent konnte es verhindern. Und jetzt wollte er sogar, dass ich mir Peters Begabung zu Nutzen machte. Ich sollte sie für mich einsetzen, sie kontrollieren. Für Vincent war dieser Gedanke etwas, das ihn in Verzückung versetzte. Ihm war es anscheinend nicht wichtig zu erfahren, wie
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